Christa Lehmacher an ihren Bruder Robert Weichelt, 21. Juni 1941
Köln, 21. Juni 1941
Liebes Bruderherz!
Nun endlich sollst Du den Dir schon so lange zugedachten Brief bekommen. Du bist sehr böse auf uns. Aber am Schluß dieses Briefs wirst Du einsehen, daß wir es nicht böse gemeint haben.
Wir haben hier seit dem Sonntag, als ich hier eingetroffen bin, mit einer Ausnahme jede Nacht Fliegeralarm und zwar den schlimmsten, den wir bis jetzt überhaupt mitgemacht haben. Wir wissen nie mehr, ob wir am nächsten Tag überhaupt noch leben. Dann geht das jede Nacht um ½ - 1 Uhr los und dauert bis 3 – ½ 4 Uhr. Der Erfolg ist der, daß wir überhaupt zu nichts mehr fähig sind. Essen ist vollkommen Nebensache geworden. Nur schlafen, schlafen, schlafen. Das man da auch nicht die geringste Initiative hat, um zu schreiben, ist Dir wohl verständlich. – Hinzu kommt jetzt noch der plötzliche Umschwung in der Witterung, sodaß man von dieser Hitze, die man doch gar nicht gewöhnt ist, auch ganz apathisch ist. – Ich sitze auch jetzt hier, habe fast nichts an und ziehe mühsam meine Gedanken zusammen, um einen einigermaßen richtigen Brief zu Stande zu bringen.
Soweit war ich gestern gekommen. Da erschien Irmgard und wollte essen. Anschließend sind wir in die Sonne gegangen. Also auch nichts mit dem Briefe schreiben. –
Heute, am Sonntag, wollte ich ihn nun vollenden. Und da kam heute Morgen diese Hiobsbotschaft:
Krieg mit Rußland!
Uns hat bald der Schlag gerührt, als wir das hörten. Das bedeutet also eine nochmalige Verlängerung des Krieges Wann wird denn nun ein Ende abzusehen sein? – Und wenn man dann hört, mit welcher Unverschämtheit die Russen vorgegangen sind, dann kann man nur die Geduld unserer Regierung bewundern. Da bleibt einem ja bald die ehrenwerte Spucke weg – Was sagt man denn so bei Euch hierüber?! –
Was nun Deine Sachen anbelangt, so habe ich einen geschlagenen Nachmittag land die Wohnung auf den Kopf gestellt, um Deine weiße Hose zu finden, was mir aber, trotz meiner Bemühungen nicht gelungen ist. Möchtest Du mir bitte darüber Auskunft geben! Ich schicke sie Dir dann gleich hinterher! – Ich konnte Dich leider nicht besuchen, weil ich mit einem Zug 6 Uhr von München fahren müßte. Ein späterer ging nicht mehr. Und da war ich um 2 statt um ½ 6 Uhr in Mannheim. Was hätte ich denn da anfangen sollen? Ich hätte doch erst um 9 Uhr ins Lazarett kommen können. Vielleicht klappt der [Laden] ein ander mal besser. Verzeihe die Schrift, ich liege im Bett. 23 Uhr.
Herzliche Grüße
Deine Christa
Anbei eine nette Überraschung!