Günther Lehmacher an Schwägerin Emmi Weichelt, 10. Dezember 1941
Menden, den 10.12.41
Liebe Emmi!
Nun ist unser Sonnenscheinchen schon einige Monate mit der Schwiegermutter bei Euch. Ich kann mir denken, dass es den beiden ausgezeichnet geht. Ihr habt doch noch mehr als wir, da Ihr die glückliche Zeit des 3. Reiches erst seit einigen Jahren geniesst u. die Vorräte also länger halten. Für Eure Freundlichkeit, Uta bei Euch aufzunehmen, danke ich Euch herzlich. Hoffentlich kann ich sie bald wieder einmal sehen, denn man hat doch grosse Sehnsucht nach dem eigenen Kinde. Ich hörte, sie sage Servus. Das muss reizend bei ihr klingen, hoffentlich verleugnet sie nicht ihre rheinische Abstammung und spricht nur noch so wie Ihr.
Christa wir sie Weihnachten ja besuchen. Es tut mir so leid, dass ich nicht kommen kann, aber beim Heer ist ein Urlaub über 100 km Weihnachten nicht möglich. Und irgendeinen schwerwiegenden Grund zu einem Sonderurlaub liegt nicht vor. Man kann doch deswegen nicht die Verwandten sterben lassen, wie wir das in der Schule machten. Also verzichten. Das haben wir allmählich ja gelernt in dieser glorreichen Zeit. Dafür freue ich mich, wenn Kitti mir von Euch bei ihrer Rückkehr von Graz erzählt. Wir werden uns halt Sylvester die Lampe tüchtig vollgiessen.
Wie geht es Dir, Emmi, und Deinem Robert? Ist er begeisterter Soldat? Ich kann das von mir nicht behaupten und habe auch nie die Absicht einer zu werden. Geld verdienen, eine Familie glücklich machen ist mir wertvoller, als mir die Knochen kaputtzuschlagen.
Was machen Deine lieben Eltern? Ich hoffe, es geht ihnen gut. Nun komme ich mit einer Bitte. Schick mir doch bitte den Radioten, Volksempfänger, zurück, und zwar als Paket, gut verpackt, nachgesehen, ob er schon auf 220 V ein-
gestellt ist, ausserdem vielleicht einige, ca. 3 mtr Draht, den es hier nicht mehr gibt, einige Bananenstecker und einen passenden kleinen Schraubenzieher. Das ist alles hier nicht mehr zu haben, daher meine Bitte. Ich bin sicher, dass Ihr selbst einen Apparat habt, ich aber fast keine Gelegenheit habe, Radio zu hören, besonders jetzt bei dem Konflikt U.S.A. contra Japan. Ausserdem sind uns Soldaten die Abende, wenn dienstfrei, so lang. Ausgehen tut man bei der Verdunkelung und in diesem Kaff doch selten. So ist man auf einen Radiokasten wirklich angewiesen. Für diese Freundlichkeit bin ich Dir sehr dankbar. Schick aber dann an die Ziviladresse: Herrn L., Menden, Walburgisschule, da ja bis Weihnachten keine Feldpostsendungen mehr angenommen werden. Die Kosten für alles bitte Christa mitteilen. Erst sollte der Kasten nach Köln und dann weiter nach hier, aber so ist es einfach. Und kaputt ist er doch wohl nicht. Wenn ein neuer preiswerter Apparat zu haben ist, ist mir das natürlich lieber, aber das ist ein Zufall. Es gibt ja doch noch Vieles uns jetzt Unbekanntes bei Euch zu kaufen. Meine Schwester war jetzt für einige Wochen in Wien bei Bekannten und hat von dort Strümpfe, guten Stoff, Ledertasche etc. mitgebracht. Das kennen wir hier nicht mehr. Ich selbst bekomme jetzt daher auch Stoff und eventuell Mantel. Alles heute u. T. (unter der Theke)
Nun, liebe Emmi, habe ich genug geklönt, grüss bitte ausser meiner Tochter die diversen Mütter (u. a. unsere beiderseitige Schwiegermutter) und den Fritz und sei selbst herzlich gegrüsst, ganz besonders grüss bitte den Flakgefreiten Robert
Dein Günther.