Robert Weichelt an seinen Schwager Günther Lehmacher, 20. Dezember 1941
Graz, den 20.12.1941
Lieber Günter!
Du wirst entschuldigen müssen, dass ich Dir den Brief an Emmi beantworte, aber Emmi liegt z.Z. im Bett, da sie eine schmerzhafte Zahnentzündung hat.
Wir alle sind nun doch froh darüber, dass es gelungen ist, die Familie mal wieder zum größten Teil zu dem Weihnachtsfest zu versammeln und ich glaube, dass Christa und Irmgard sehr zufrieden von hier wieder nach Hause fahren erden. Uta ist ein sehr nettes Mädel geworden und bereitet uns allen viel Freude. Am meisten haben wir darüber gestaunt, dass sie Christa nach der Trennung doch sofort wieder erkannt hat und wie sehr sie an ihr hängt.
Und nun zu Deinem Brief. Also es ist leider eine irrige Meinung von Dir, wenn Du der Auffassung bist, dass es hier in der Ostmark mehr zu erhalten sei, als im Altreich. Vielmehr liegt der Fall gerade umgekehrt, denn ich habe im Altreich Sachen für uns in Graz kaufen müssen, da wir sie in Graz und auch sonst in der Ostmark nicht erhalten konnten.
Wenn nun Uta und meine Mutter hier bei meinem Schwiegereltern alles erdenkliche erhalten, wovon wir nur noch den Namen kennen, dann nur dadurch, dass meine Schwiegereltern sich gerade rührend um das Kind bemühen und alles versuchen, um dem Kind ja nur alles zu besorgen, was ihm irgendwie sonst fehlen könnte. Hinzu kommt noch, dass Uta von den Obstvorräten meiner Schwiegereltern Großabnehmer ist, obgleich Du sonst hier in Graz auch nicht einen Apfel oder erst recht eine Birne auftreiben wirst.
Du fragst, ob ich ein begeisterter Soldat sei! Nun ich glaube, begeisterte Soldaten wirst Du wohl unter den Männern, die verheiratet sind und sonst im Leben einen Beruf haben, der ihnen viel Freude bereitet wenig finden. Aber auf der anderen Seite steht dann doch wohl die klare Erkenntnis, dass durch diesen Krieg auch das Schicksal jedes einzelnen entschieden wird.
Jeder der hier aus der Reihe springt schadet sich nicht nur allein sondern der Gesamtheit und ist auch so zu behandeln. Ich glaube, Deine Worte so auffassen zu dürfen, dass sie im Augenblick einer Verärgerung geschrieben worden sind, denn anders könnte ich sonst Deine Worte nicht verstehen.
Und nun zu Deiner Bitte wegen dem Radio. Also wie Du Dir sicher schon selbst überlegt hast, hat weder Emmi noch ich ein Recht darauf Dir den Apparat zuzusenden. Ferner aber liegt doch da der Fall so, dass Irmgard und Christa in Köln Mutters Radio haben und dass Mutter somit Christas Radio mit nach Waltenhofen genommen hat. Also wenn Du hier etwas unternehmen wirst, dann schreibe doch bitte direkt an Christa und bespreche mit ihr die Sachlage.
Ein neues Gerät ist aber hier in der Ostmark nicht zu erhalten, denn ich selbst suche z.Z. hier vergebens nach einer Radioröhre und bisher noch immer ohne Erfolg.
So, damit wäre der Brief an sich beantwortet und ich will hoffen, dass es Dir nun selbst gut geht und Du bald ebenfalls ein paar Tage Urlaub erhältst.
Für heute sende ich Dir nun herzliche Grüße und ein frohes Weihnachtsfest
Dein Schwager