Robert Weichelt an seine Schwester Christa Lehmacher, 9. September 1942
Graz, den 9.9.1942
Liebe Christa.
Ich möchte Dir zu Utas 3 tem Lebensjahr meinen und Emmis herzlichen Glückwunsch aussprechen und diesen gleichzeitig mit dem Wunsch verbinden, dass Utas Gesundheit sich nun in dem neuen Lebensjahr wieder vollständig erholt und sie wieder gesundet.
Uta haben wir nun selbst ein kleines Geburtstagsgeschenk besorgt und da wir ihr gleichzeitig noch etwas Obst beilegen wollen, kommt das Paket etwas später in Köln an. Ich hoffe aber, dass wir bei der z. Z. ja geringen Auswahl der Geschenke das richtige getroffen haben und Uta somit ein wenig Freude bereiten.
Von uns selbst ist nicht viel zu berichten.
Wie Du ja weisst, bin ich vor etwa 6 Wochen nach Berlin in das RLM versetzt worden und arbeite dort als Sachbearbeiter. Die Arbeit selbst ist ganz interessant, hingegen die übrigen Umstände sind weniger erfreulich.
Besondere Kopfschmerzen hat uns die Unterkunftsfrage bereitet. Ich selbst bin entkaserniert und hatte mich zuerst in einem Hotel oder besser gesagt einer Pension einquartiert. Bin dann jeden Abend nach Dienst auf Zimmersuche gegangen. Aber alles ohne Erfolg. Da ich durch meinen Dienst sehr wenig Zeit erübrigte, fasste ich kurz den Entschluss und liess Emmi nach Berlin nachkommen, nach dem ich in der Pension ein Doppelzimmer erhalten hatte. Aber auch Emmis Bemühungen sollten vorerst ohne Erfolg sein. Erst nach etwa 14 Tage bekam sie durch einen Zimmernachweis ein Zimmer angeboten. Nach einer längeren Aussprache mit der Vermieterin bekamen wir auf 14 Tage das Zimmer. Dabei drehte sich die Frage der weiteren Vermietung an uns nur darum, weil sie meinte, dass wir ihr das Zimmer durch das Kochen von Bratkartoffeln u.s.w. auf einem eltr. Kocher verschmutzten. Nun, wir zogen am folgenden Tag ein. Kamen erst abends spät nach Hause. Als wir nun aber im Bett liegen, fängt es auf einmal hier und dann da an zu jucken und krazen. Ich mache Licht an und habe dann die zoologischen Kenntnisse meiner Schulzeit noch erweitern können, da es in meinem Bett nur von Wanzen krabbelte. Na, der Koffer war schnell gepackt und am nächsten Morgen in aller Frühe konntest Du uns auf der Suche nach einer Hotelunterkunft finden. Glück muss der Mensch haben und am Abend zogen wir wieder in die alte Pension ein. Wir bekamen aber dieses mal ein anderes Zimmer. Zu unserer ganz besonderen Freude aber konnten wir nachts nun hier Vertreter derselben Tiergruppe begrüssen. Ich kann Dir sagen, wir waren schon beinahe verzweifelt. Alle Versuche am nächsten Tag eine andere Unterkunft zu bekommen waren vergebens. Erst nach vier Tagen bekamen wir nunmehr aber in einem sehr sauberen Hotel Quartier. Allerdings kostete hier auch jede Nacht 8,80 RM gegen 6,60 RM in der Pension.
Und nun ist es uns ein paar Tage vor der Abreise nach Graz gelungen, in Charlottenburg ein Zimmer zu erhalten. Aber bitte setze Dich hin, ein ganz normales in weiss gehaltenes Eheschlafzimmer mit Morgenkaffee 180,00 RM. Da ich nun einen Quartierschein von der Wehrmacht hatte, gab ich diesen am nächsten Tag zur Bestätigung des Preises bei der Stadtverwaltung ab und diese Herren haben nun veranlasst, dass von Seiten der Preisüberwachung eingegriffen wird. Du siehst also, dass wir nur alleine mit unserer Unterkunftsfrage eine Unmasse von Arbeit hatten. Hinzu aber kommen die vielen anderen Arbeiten, die das Leben heute von einem verlangt, wenn man vegetieren will.
_ bitte wenden _
Z. Z. verbringen wir nun 14 Tage Urlaub hier in der Ostmark in Graz. Ich selbst habe Ruhe sehr notwendig und hoffe mich nun hier etwas zu erholen. Leider hat sich Emmi nun auf der Bahnfahrt erkältet und liegt nun mit einer starken Halsentzündung mit starkem Fieber im Bett. Ferner hat sich das Wetter verschlechtert, so dass es nicht mehr möglich ist, sich in die Sonne zu legen.
Nun hoffe ich aber auch so mich hier zu erholen, so dass ich in Berlin wieder mit frischen Kräften an die Arbeit gehen kann. Emmi aber wird sich sicher hier auch wieder erholen und mit mir gesund nach Berlin dampfen.
So, damit habe ich Dir nun in grossen Zügen erzählt, wie es uns in der letzten Zeit ergangen ist.
Indem wir Dir und Uta nochmals herzlich zum dritten Geburtstag gratulieren, grüssen wir herzlich
Euer
Post bitte an: Weichelt
Berlin-Charlottenburg
Pestalozzistr. 103
bei Frau Manz
Bitte nur Briefe, keine Karten schicken.