Ursula Lindemann an Lotti, 6. Juni 1943

[14.6.43]

Köln, am 6. Juni 43.

Meine liebe Lotti!

Heute Abend sollst Du noch einen kleinen, lieben Gruß von mir bekommen. Ich bin ganz allein zu Hause und langweile mich sehr. Am liebsten würde ich schnell einmal rauf zu Euch, - zu meiner lieben Lotti laufen. – wie früher! Es ist nicht schön so einsam hier zu sein. Die Eltern sind eingeladen und Elfriede hat Ausgang.

Draußen gießt es nun schon über eine Woche lang in Strömen. Es ist wirklich ein zu trostloses Wetter. Eben habe ich die Hühner ins Bett gebracht und noch schnell meinen kleinen Tips, dem Kaninchen, gute Nacht gesagt. Jeckie fegte wie immer sehr eifersüchtig um mich herum.

In der letzten Zeit habe ich sehr viel zu arbeiten. Täglich sitze ich 4-5 Stunden an meinen Aufgaben, und dazwischen muß ich üben und zum Zahnarzt. Heute habe ich allein 3 Stunden an Chemie gepaukt. Morgen, Montag,

gibt es eine Chemiearbeit, die, glaube ich, recht schwer wird. In Geschichte nehmen wir augenblicklich den 1. Weltkrieg durch. Es ist sehr interessant, und ich höre immer sehr begierig zu. Überhaupt habe ich Geschichte recht gerne.

Mit dem Einsatz hat sich wieder alles geändert. Erst die 16 jährigen kommen dazu. Ich finde das garnicht recht, wir hätten gewiß alle schon etwas ordentliches geleistet. Heute rief Klaus noch einmal an, und teilte uns mit, daß er Donnerstag für 5 Tage in Urlaub kommt. Und danach kommt er erst nach Russland. Wir sind alle sehr glücklich.

Ich bin nun sehr, sehr müde, denn es ist schon recht spät. Draußen singt schon die Nachtigall ihre wehmütigen Lieder, und will mich ganz traurig machen. (Ich bin wirklich wütend)

Gute Nacht liebe Lotti, Deine dumme Ulla.

Viele Grüße an Deine Mutter und Gisela.

Sind eigentlich Eure Kisten angekommen?

Und das Eingemachte? –