Ursula Lindemann an Lotti, 4. November 1944

Köln, den 4.11.44.

Meine liebe Lotti!

Schnell einen kurzen Gruß. Wir haben furchtbar viel zu tun. Alles wird verpackt, denn morgen geht ein Lastwagen nach Dülmen, daß unsere Sachen mitnehmen muß. Das andere müssen wir dann auf der Flucht alles schleppen. Sehr wahrscheinlich müssen wir zu Fuß weg, da unsere Autos alle beschlagnahmt worden sind. Wir sind alle ziemlich durcheinander und wissen bald garnicht mehr was tun.

Nun bereuen wir es, daß wir so viele Sachen eingemauert haben. Sehr viele Kleidungsstücke und ich hab auch noch all meine liebsten Bücher dazugetan. Überhaupt um meine Bücher und um die schönen Platten tut mir es sehr leid. Man darf

sich garnicht vorstellen, was man alles zu Hause lassen muß.

Trotz allem, haben wir alle etwas mehr Mut, da wir ja an den beiden letzten Tagen mehr Ruhe hatten. Wir meinen, daß wir das Schlimmste überstanden haben. Vielleicht, wenn es irgendwie möglich ist, bleiben wir sogar hier in Köln. - - Am allerschönsten wäre, wir hätten auch in Schriesheim auf dem Bräunig ein Häuschen.

Heute haben wir wieder viel Alarm.

Eben war ich wieder einmal vergeblich in Bayenthal. Keine Post, kein Fleisch oder Brot, nichts habe ich bekommen. Nach Köln kommt nichts mehr rein und was an Lebensmittel noch in Köln war, ist zerstört. Wir leben nur noch von Konserven. Aber das ist ja alles nicht so schlimm. – Hoffentlich wird Köln jetzt etwas in Ruhe gelassen.

Hier ist’s furchtbar kalt. Wir haben

alle eine dolle Erkältung. Im Haus ist es fast noch kälter als draußen. Meine Grippe und vor allem mein oller Husten wird auch nicht besser. -

Wie geht es Dir, liebe Lotti, was macht Ihr nun in Schriesheim? So lange hab ich nichts mehr von Dir gehört. Ich habe immer noch gehofft, es wären nicht alle Briefe verloren gegangen. – Hoffentlich seid Ihr einigermaßen sicher oben in Eurem Häuschen und braucht nicht fort. Habt Ihr Nachricht von Hansa?

Ich hab keine Zeit mehr zum Schreiben. Ich glaub, ich habe viel Stuß zusammen geschrieben.

Alles, alles Gute, liebe Lotti.

Deine Ulla.