Ursula Lindemann an Lotti, 23. April 1944
[29.4.]
Köln, den 23.4.44.
Meine liebe Lotti,
Diesen Brief werde ich wohl kaum in Ruhe schreiben können, denn es brummen wieder viele Feindmaschinen über uns herum. Und sonst am Tage werde ich erst recht keine Zeit zum Schreiben finden.
Es ist noch früh am Sonntagmorgen, während ich Dir schreibe. Eigentlich wollten wir alle einmal nach den schrecklichen Tagen tüchtig ausschlafen, aber da ist ja nun nichts draus geworden.
Diese Nacht haben wir wieder 3 Stunden im Bunker gesessen bis 3.30 Uhr. Vor 4 Uhr nachts sind wir in den letzten 5 Tagen nicht mehr ins Bett gekommen.
Und diese Nacht war es wieder so aufregend. Der Drahtfunk meldete folgendes: „Die starken fdl. Kampfverbände fliegen im Angriff gegen den Raum von Köln. Größte Vorsicht ist geboten.“ – Da kannst Du Dir ja denken wie besorgt wir wurden. Wir waren bis aufs Letzte gefaßt. – Zum Glück wurde es dann kein direkter Großangriff. Wir hörten nur einige Bomben pfeifen, und nachher sahen wir eine Brandstelle in der Stadt. – Über Köln liegt immer noch ein roter Schein von dem Angriff zum 21.
Von dem will ich garnicht erst viel erzählen. Ich kann nur sagen, es war ganz schrecklich. Die Flak hat überhaupt nicht geschossen. Man hörte nur Einschlag auf Einschlag,
nahe, fern, immer und immerzu ohne Pause. Am Morgen mußte ich mit dem Rad zum Büro, um Vater etwas zu helfen. Ich konnte kaum bis zum Hansaring durch. Der ganze Ring brannte und dann all die vielen, riesigen Trichter, hauptsächlich von Luftminen. Als ich zum Büro kam, konnte ich nichts mehr retten, es stand in hellen Flammen. Mit Frl. Stallmann versuchte ich in den Keller zu gelangen, aber auch das war unmöglich, denn die Balken und der Schutt stürzten immerzu mit viel Gepolter herunter. Rings um unser Büro herum wurden die Verschütteten ausgegraben und die Toten geborgen. Frl. Stallmann
konnte es nicht mehr aushalten und brach zusammen. Wie ich mit ihr nach Hause gekommen bin weiß ich garnicht mehr, es war zu fürchterlich. Und zu Hause habe ich dann geweint.
Wir haben nun sehr viel zu tun. Herr und Frau Schmitz aus Lindental sind restlos ausgebrannt, haben allerdings ihre Möbel größten Teils gerettet und wohnen nun im 2. Stock bei uns. Frl. Stallmann mußte wieder runterziehen und bekommt im 1. Stock ihr Zimmer. Wir selbst räumen auch wieder vieles aus, unter anderem auch unseren Flügel. Zu allem Übel ist gestern abend Helmies Bräutigam, Herr Schilling gekommen. Allmählich
wissen wir wirklich nicht mehr, wo uns unser Kopf steht. -
In der vergangenen Nacht muß allerlei hier draußen gefallen sein, denn bei uns sind mal wieder Türen und Fenster raus. -
Wie geht es Deiner Mutter? Und was macht Gisela? Hat Dein Semester jetzt wieder angefangen?
Meine Schule hat natürlich auch wieder viel mit abbekommen. Sie fängt vorläufig noch nicht an, weil der Luftschutzkeller sehr schlecht ist. – Mir geht es wieder ganz gut. Das Fieber kam nur von einer Erkältung, die ich mir