Köln, den 18.6.44.

Meine liebe Lotti,

hab vielen Dank für Deinen lieben Brief. Leider bin ich immer noch nicht ganz in Ordnung, so daß ich nur kurz schreiben kann. Das Fieber ist zum Glück gesunken, nur abends steigt es immer etwas, und sonst bin ich noch ziemlich schlapp und wackelig auf den Beinen.

Was sagst Du nun zu all den großen Ereignissen, die in den letzten 14 Tagen geschehen sind? Wir alle verfolgen mit Spannung die Nachrichten u. vor allem die Frontberichte. Dieser neue große Einsatz der fern-

gesteuerten Flugzeuge gegen England ist uns allen unvorstellbar und kommt mir fast unheimlich vor. Hoffentlich hat diese Waffe die ersehnte Wirkung und die Engländer spüren endlich einmal am eigenem Leibe, was sie uns angetan haben und noch antun.

Hier bei uns gießt es nun bald 14 Tage fast ohne Unterbrechung. Es ist das trostloseste Wetter, was man sich vorstellen kann. Im Garten verblüht inzwischen die Akelei, die so besonders schön in ihrer Farbe ist, der Rittersporn, Eisenhut und auch die Rosen, und wir können uns nicht daran erfreuen. Die Erdbeeren faulen am Boden und werden größtenteils von den Schnecken aufgefressen. Und die Kirschen sind entweder alle geplatzt oder vom Hagel von den Bäumen abgeschlagen. Auch sonst steht

es hier mit dem Obst ziemlich schlecht. Ich habe in der letzten Zeit eine Menge zu tun. Helmie ist in Urlaub und so müssen Mutti u. ich das ganze Haus versorgen. Zum Glück konnte ich aufstehen und helfen so gut es eben geht. Außerdem muß ich noch sehr viel für die Schule nachholen, die ich ja noch nicht besuchen darf.

Unsere Schule und noch einige andere kommen noch nicht weg und sind deshalb noch nicht geschlossen, da sie angeblich sichere Keller haben sollen! Von der Hermann Lietz-Schule haben wir Bescheid, daß die Schule überfüllt ist und vielleicht erst im März etwas frei wird. Ich bin sehr erleichtert über diese Nachricht. -

Heute am Sonntag hast Du gewiß die Zeit ausgenützt und viel gelernt. Bist Du nun eigentlich die Zeit,

die Deine Mutter bei Gisela ist, allein oder ist Lotte Kretzer bei Dir?

Wenn ich mir vorstelle, daß es erst 3 Wochen her ist, als ich bei Euch war, kann ich es kaum glauben. Wie vor einer Ewigkeit kommt es mir vor. -

Mutti ruft mich gerade zum Kartoffel schälen.

Es grüßt Dich herzlich und denkt sehr an Dich

Deine Ulla.