Ursula Lindemann an Lotti, 14. Dezember 1944

Nr. II.

Köln, den 14.12.44.

Meine liebste Lotti!

Eben kam Vater aus Haltern zurück, er ist nun doch nicht nach Berlin gefahren, denn über 30 Stunden Fahrt in einem überfüllten Zug hätte er garnicht ausgehalten. Er brachte mir Deinen lieben, guten Brief vom 9.11. den Du nach Haltern geschrieben hattest, mit. Hab vielen Dank für ihn. Im Augenblick ist gerade Voralarm und ich mußte mein Licht so stark abdunkeln, daß ich kaum noch etwas sehen kann. – Vater hat eine furchtbare Fahrt hinter sich. Er kam mit seinem Lastauto gerade in Witten in den Angriff rein und erlebte ihn vor Witten im Freien mit. Es muß furchtbar gewesen sein.

Er hatte sich, wie ich damals bei unserem letzten Angriff, in einen Graben gelegt und mit seinem Leben schon abgeschlossen. Er ist nun ganz erschöpft und abgespannt nach Hause gekommen und schläft

sich hoffentlich jetzt wieder ganz gesund.

Liebste Lotti, nun ist in kaum 10 Tagen schon Weihnachten. Ich mag garnicht daran denken. Und doch steht mir immer wieder das Weihnachten vom vorigen Jahre vor den Augen. Es wird dieses Jahr wohl das Schwerste für uns alle werden. Ihr habt die große Sorge um Hansa wir um Klaus und vielen tausend Menschen geht es ebenso. Alle tragen das gleiche große Leid und werden davon beinahe zu Boden gedrückt. – Wir werden dieses Jahr keinen Baum haben. Ich werde aus dem Südpark von den durch Bomben umgefällten Tannen und Kiefern einige Zweige holen, die uns den Baum und Adventskranz ersetzen sollen. – Lotti, ich will mir Mühe geben, so gut es geht tapfer zu sein. Es wird schwer fallen, daß weiß ich jetzt schon, aber ich muß es sein. Und vor allem muß ich meine große Sehnsucht nach Dir unterdrücken. Und das wird mir am schwersten werden. – Wenn ich Dich und Deine Briefe nicht hätte, ich glaube, ich würde verzweifeln.

Gerade ist Vollalarm.

Sei innig gegrüßt, meine liebe, liebe Lotti.

Immer Deine Ulla.