Ursula Lindemann an Lotti, 28. September 1944
Köln, den 28.9.44.
[11.10.]
Meine liebe Lotti!
Schnell will ich die Zeit des Alarmes ausnützen, um Dir zu schreiben. Gestern hat es uns bei dem schlimmen Tagesangriff gut gegangen. Im Süden der Stadt isst kaum etwas geschehen. Hauptsächlich Niel, Mülheim, Lindental, Ehrenfeld, Sülz und die Innenstadt wurden getroffen. Als der Fliegeralarm kam, waren die Verbände schon über der Stadt und gleich darauf fielen auch schon die Bomenteppiche.
Wir waren fast alle noch auf unserem Fabrikhof, als der 1. Teppich runterkam. Es war schrecklich. Die Flak schoß kaum. Ich habe die vielen Flieger gesehen und mich ziemlich erschrocken. Unten im Keller saßen wir dann völlig im Dusteren und eine furchtbare Panik brach aus. Es waren viele Leute von der Straße in unseren Keller geflüchtet, die sich sehr aufregten und schrieen. In der Stadt sieht es natürlich schlimm aus, es fahren keine Bahnen, da das ganze Netz völlig gestört ist. Außerdem ist kein Strom, Gas und Wasser da. Es herrschen wieder einmal die verwirrten und durcheinanderen Zustände nach einem schweren Angriff in Köln. Man weiß nicht ob Alarm ist
oder nicht, da die Sirenen nicht gehen und es immerzu schießt. – Augenblicklich haben wir wieder Fliegeralarm. Ein Sirenenauto ist durch die Straßen gefahren und hat es bekannt gegeben. Ich sitze nun im Fabrikkeller und habe heute ausnahmsweise einmal einen Sitzplatz erwischt und brauche nicht die ganze Zeit zu stehen wie Gestern die 3 Stunden. Hoffentlich geht es wieder gut. – Mutti muß heute im Fort 8 Kartoffel schälen. – Unsere Fabrik arbeitet trotz allem weiter. – Es schießt und brummt draußen sehr. – Ich glaube, ich schreibe einen ziemlichen Stuß zusammen, aber ich werde andauernd gestört und kann meine Gedanken kaum zusammenhalten. Du sollst nur wissen, daß alles gut gegangen ist. Bei Bartels auch. Ich glaube, daß bei Frl. Monscheuer auch noch alles in Ordnung ist. – Hier zu Hause ist’s nicht schön. Wir machen uns solche Sorgen um die Brüder. Von Klaus sind gestern 2 Briefe zurückgekommen. Hansel steckt mitten in den schweren Kämpfen in den Waldkarpaten zwischen Krosno und Sanko. Wir haben lange keine Nachricht mehr von ihm. – Vater hat auch so viele Sorgen und Schwierigkeiten im Geschäft. Wenn Du ihn sehen würdest, bekämst Du einen großen Schrecken, so zusammengefallen ist er. Auch Mutti geht es nicht mehr so gut. – Habt Ihr Nachricht von Hansa? – Ich bin müde, denn diese Nacht haben wir wieder lange im Keller gesessen. Meinen Brief vom 26.9. in dem ich Deinen Brief beantwortete und auch den vom 24.9. mit einem Bild von mir als Straßenbahnschaffnerin wirst Du wohl kaum erhalten haben. Viele Grüße an D. Mutter u. Gisela. Dir liebe Grüße von Deiner Ulla.