Ursula Lindemann an Lotti, 1. November 1944

Köln, den 1. Nov. 44.

5.11.

Meine liebe Lotti.

Sehr wahrscheinlich kann ich diesen Brief morgen einem Herrn nach Heidelberg mitgeben. Aus Köln und der näheren Umgebung geht keine Post mehr raus. Es kommen auch kaum noch Briefe rein. Gerade ist Entwarnung. Den 1. Abendalarm haben wir gut überstanden. Hoffentlich ist es für heute genug. Draußen brummen aber noch viele Flieger, vermutlich sind es Deutsche. Die beiden Briefe von gestern und vorgestern sind auch noch nicht weggekommen. Sie sind sehr zerknittert, denn sie haben die letzten Angriffe im Keller bei mir miterlebt. – Mutti ist mit den Nerven

restlos herunter. Es ist ganz entsetzlich. Wir sind eigentlich alle sehr nervös und abgekämpft. Wir leben untereinander unter einem sehr gespannten Druck. Es ist nicht schön mehr. Ich fühle mich sehr unglücklich und sehne mich so nach Dir. Es geht überhaupt alles durcheinander. Man weiß allmählich nicht mehr wo einem der Kopf steht. Nirgends bekommt man mehr Brot oder Fleisch oder sonst was zu essen. Man rennt sich die Beine ab um irgendetwas zu bekommen. Dazu ewig Alarm und Schießerei. Vorhin haben wir gehört, es sei ein Ultimatum an Köln gestellt worden, das aber natürlich abgelehnt worden ist. In der Zeitung, die wir heute zufällig bekommen haben, wird nur von der „Festung Köln“ gesprochen. – Ob wir nun nach

Haltern fliehen können, ist noch sehr fraglich, da wir wahrscheinlich garnicht alle unterkommen können. Nun wissen wir noch garnicht, was wir machen sollen und wohin wir gehen. Weißt Du eigentlich, wo Frl. Monscheuer und Bartels sind? Wir können hier garnichts erfahren und bei Bartels stand ich schon mehrmals vor verschlossener Tür. Habt Ihr Nachricht von Hansa? Wir haben natürlich keinerlei Nachricht von den Brüdern.

Ob Du alle meine letzten Briefe bekommen hast? Dieser geht ja diesmal ganz sicher. Ich beneide regelrecht den Herrn aus unserem Geschäft, der über Heidelberg fährt. Gerade geht wieder Alarm los.

Hoffentlich geht es gut.

Deine Ulla.

2.11.44.

Gestern abend hat alles gut gegangen. Es waren scheinbar nur einzelne Störflugzeuge, die einige Bomben abgeworfen haben. Vergangene Nacht haben wir alle endlich einmal wieder gut geschlafen. Heute schießt die Front wieder sehr deutlich. Aus unsere Nachbarschaft ziehen fast alle fort. Was aus uns nun wird, weiß ich nicht.

Hoffentlich geht es bei Euch gut. Was wird nun mit Dir geschehen? Welchen Einsatz mußt Du machen? Ich drücke Dir einen dicken Daumen, daß Du Glück hast. Was macht Maria mit ihren Kindern? Habt Ihr nochmal Nachricht von Hansa? – Gleich muß ich zur Post fahren und unsere Briefe holen. Hoffentlich ist was Schönes dabei. Vereinzelt kommt ja die Post doch noch nach Köln. Sei nun recht lieb gegrüßt von Deiner Ulla.