Ursula Lindemann an Lotti, 5. Januar 1945

Köln, den 5.1.45.

Nr. 19

Meine liebste Lotti!

Heute haben wir im Schutt mein Klavier aus meinem Zimmer gefunden. Ich traute meinen Augen kaum. Es war ein Eisengestell an dem einige Drähte hingen. Sonst habe ich nichts mehr aus meinem Zimmer gefunden. Unsere Betten, alles ist verbrannt. Wir konnten ja nur etwas aus dem Paterre retten, und da noch nicht mal alles. Unseren Keller werden wir nun sehr wahrscheinlich halten können. Ein Glück, daß wir wenigstens diese Zuflucht haben. – Was wir nun tun, wissen wir nicht. Mal heißt es, wir gehen ganz von Köln fort mal, wir bleiben hier. Ach, es ist alles so durcheinander und wir können bald nicht mehr. Und dann ewig Alarm, Schießerei und Bombenabwürfe. Es ist zum verzweifeln. Köln ist wirklich die Stadt des Schreckens u. Grauens geworden. Unser

schönes Köln. Marienburg ist nun auch arg zu Schanden gerichtet. Nur Trümmer nichts als Schutt, Asche und Elend sieht man. Ich bin wirklich ganz durcheinander und verzweifelt. Wenn Du unser Haus sehen würdest, ach Lotti, es ist ein grauenvoller Anblick. Ich mag garnichts mehr sehen am besten wäre es wir wären alle tot. – Wir schuften nun von morgens früh – abends um 6 Uhr ununterbrochen und kommen doch nicht viel weiter. Es stellt sich einem ja so viel in den Weg. Nun müssen wir den Raum drüben in d. N.S.V. den wir mit unseren Sachen vollgestellt haben wieder ausräumen weil dort d. Hausmeisterleute reinziehen wollen. Wohin nun mit d. Sachen? – Abends essen wir dann bei Professor Bertram zu Mittag und dann gehen wir in d. Bunker, weil meistens um diese Zeit dann Alarm ist. – Inzwischen sind wir ja nun ins neue Jahr gekommen. Hoffentlich bringt es uns die ersehnten Nachrichten von Hansa u. Klaus. – Etwas Gutes muß es in der Welt doch noch geben. Ich will ganz fest dran glauben daß Hansa u. Klaus

zurückkommen, dann muß sich dieser Wunsch doch erfüllen. – Lotti, ich habe so lange nun keine Post mehr von Dir. Ich hoffe jeden Tag vergeblich. Das ist garnicht schön. -

Gestern ist uns ein Haus in der Goethestr. angeboten worden, aber leider können wir es nicht nehmen weil die Heizung eingefroren ist. So stellt sich uns eines nach dem anderen in den Weg. – Ich glaube ja, ein Bleiben in Köln ist einfach unmöglich, denn es wird ja doch ewig angegriffen und dann verlieren wir noch unser letztes Bischen. Aber was sollen wir tun? Ganz nach Haltern können wir ja auch nicht, weil Vater in Köln bleiben muß. Und ihn ganz alleine hier in unserem Keller ohne Versorgung hausen zu lassen, kommt nicht in Frage. – Vorhin ist in unserem Garten eine große hoch explosive Brandbombe losgegangen und explodiert. Ich hätte nie geglaubt, daß diese Brandbomben solch eine Sprengwirkung haben. Es wäre beinahe schief gegangen u. Hansel u. ich hätten etwas mit abbekommen, weil wir nahe dabei waren. – In den letzten Tagen schießt d. Front wieder fast ohne Pause. Wir wissen nichts, was an d. Fronten vorgeht und sind deshalb sehr in Unruhe. – Ich bin nun zu müde zum weiterschreiben. Leb wohl meine Lotti. Grüße d. Mutter u. Gisela herzlich von

mir und sei Du besonders innig gegrüßt.

In herzlicher Liebe immer

Deine Ulla.

Schreib mir bitte weiter an die alte Adresse in Köln.