"Briefe der Kameraden" Nr. 13, 2. November 1941

XIII

„Briefe der Kameraden“

Lieber Kamerad! Augsburg, am 2. November 1941

Dir draußen wieder einen herzlichen Gruß. Es ist etwas länger her, daß Du von allen Kameraden hörtest. Der letzte Brief sprach nur von Andreas. Es ist noch immer das größte, tragende Ereignis dieser Tage. – Ich las in einem Brief einen Spruch, den Andreas uns hätte sagen können:

„Mein König, laß mich Dein Hammer sein,
ein Werkzeug nur in Deinen starken Händen.
Mag ich dann brechen oder untergehn,
ich weiß, mein Herr, Du wirst das Werk vollenden.
Ich durfte helfen, und der Bau wird stehn.“

Andreas Vater schrieb mir:
„Ich habe nicht gewußt, daß er seinen Freunden so teuer war, das hat erst zum Vorschein kommen sollen. Er war wirklich ein heimlicher (so möchte ich es nenne) Führer, der manchen viel gewesen ist; ohne Aufsehen und ganz in der Stille hat er manches gewirkt. Und wahrlich, Ihr, seine Freunde, habt ihn nicht vergessen, nun wird er Euch auch nicht vergessen.“

Viele Kameraden schrieben auch mir über Andreas. Aus all diesen Briefen spricht noch einmal ganz deutlich, wie sehr er mit uns verbunden war und wieviel er uns gegeben hat, auch noch in seinem Tod. Einiges will ich Dir wieder schreiben:

„Mit Andreas ist alles noch kaum faßbar.Man meint immer, er müsse doch einmal wiederkommen.“
Karl.

„Ich habe mich bemüht, ihn fortzudenken aus der Reihe der Lebenden; es gelang mir nicht. Und wenn ich einem von unserer Gemeinschaft nach längerer Zeit begegnen werde, kann es leicht sein, daß ich mich nach Andreas erkundige. – Die Briefe, die ich heute las, haben ihn mir wieder klar vor Augen gestellt, ja, ich habe ihn erst richtig kennen gelernt. Der frische, frohe Klang seiner jungen Seele und der tiefe Ernst eines reifen Menschen sprechen aus ihnen. Er war wahrhaftig ein froher Mensch, froh im Wissen um ein echtes, starkes Christentum. Wir alle können von ihm lernen. Er war unruhig um das Reich Christi willen. Wir alle kennen ihn als eisernen Arbeiter, und ich habe ihn deswegen immer bewundert.“
Hafei.

„Ich habe nochmals seine Briefe gelesen. Auch all die Gespräche auf der Fahrt und nachher im Urlaub fielen mir ein. So wurde alles eine Zwiesprache mit ihm. Gerade sein letzter Brief scheint mir wie ein Abschluß zu sein. All das Mühen und all die Not, das Reich des Herrn in sich zu gestalten, spricht aus ihm. Und auch eine tiefe Erkenntnis aus den Menschen, die mit ihm im Ringen gestanden haben. Einsam ist er in diesen Tagen des Kampfes gewesen, wenn er auch in einer Masse drin stand. Einsam mit sich, trug er die Leiden vieler. Denn das fordert ja die Kameradschaft, von der er spricht. Den anderen die Last wegnehmen und sie selber tragen. Wer das so kann, wie Andreas hat schon das Schwerste hinter sich. Das ist das Freisein von sich selbst. Diese Freiheit ist der Anfang, aus der allein Großes wächst.

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Weil er sie hatte, ist Andreas so viel für alle gewesen. Diese Freiheit gab ihm das große frohe Lachen. Sie war von Anfang an nach allem Kampf sein Leben.“
Karl.

„Andreas Tod hat uns alle wohl zur Besinnung gezwungen. Er war uns allen ein Vorbild in „fröhlichen Stehen vor Gott“.
Ich habe heimlich bei ihm Abbitte tun müssen, denn ich hatte früher ein anderes Urteil über ihn. Ich hielt ihn für etwas oberflächlich, habe sein heiteres Wesen und sein „fröhliches Kämpfen“ für Leichtfertigkeit angesehen. Wir können bestimmt von Andreas viel lernen, und es ist noch ein weiter Weg bis zu seiner Reife.
Jupp.

„Was Andreas war, ahnt man erst jetzt, wo er nicht mehr als Mensch unter uns ist. Viele sind schon gefallen, aber bei keinem ist es so, wie bei ihm. Er war uns mehr als ein Freund. All die Tage mit ihm stehen vor uns. Von der letzten Fahrt, dem feinsten Erlebnis, das ich je gehabt, sind zwei schon von uns gegangen. Es wird große Kraft von uns fordern, umzudenken auf die ihnen geschenkte Freude. Noch steht am Anfang für uns alle das Vermissen.
Im Gedenken sind wir alle, die Toten und Lebendigen, vereint. Die Treue der Brüder bleibt.
Karl.

„Blitzartig stand unsere Gemeinschaft vor meinem Auge. Wie wir aneinander wuchsen und uns Form gaben in feinen, stillen Stunden und auf Fahrt in schäumender Fröhlichkeit.
Vor mir steht noch sein lachendes Gesicht. Sein Lachen war so echt jungenhaft wie sein Leben.

„O Herr, gib jedem seinen eignen Tod.
Das Sterben, das aus jenem Leben geht,
darin er Liebe hatte, Sinn und Not.“

Der Soldatentod war seinem Leben würdig.
Aus den Gräbern wächst neues Leben!
Ich grüße die Gemeinschaft!
Hans.

„Es ist nicht von ungefähr, wenn wir bekennen: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen!“ Und vor mir stehen all die teuren Toten, die in dieser Zeit nun heimgekehrt sind zum Vater, zu ewigem Leben, zu Seiner Herrlichkeit.“
Helmut.

„Warum gerade er? Dieser Gedanken ist sicher von vielen gedacht worden, die ihn kannten und schätzten. Wird er uns nicht fehlen bei dem Werk, bei der Aufgabe, die uns gestellt ist? Nein! Das ist meine innerste Überzeugung. Er ist nicht „von uns gegangen“. Im Gegenteil, gerade jetzt kann er mehr für uns tun, als je zuvor. Darum wollen wir aus solch einem Grund den Mut nie sinken lassen. „Sein Reich in Deutschland neu zu gründen“, wie es Ernst gesagt hat.
Fifi.

Lieber Kamerad, aus diesen Briefen rundet sich nocheinmal der Ring, der uns umschloß. Er ist auch heute nicht zerrissen und wird uns immer zusammenhalten. – Noch eine kleine Bitte, Briefe, die Andreas Dir schrieb, schenke doch seinen Eltern. Sie freuen sich bestimmt sehr darüber.

Dir nochmals herzlichen Gruß und alles Heil.
Dein Leo.

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Lieber!                       Schitomir, 22.8.41.

.. All die Briefe und die unverrückbare Zielsicherheit, die aus ihnen spricht, hat mich wieder sehr froh gemacht. Wenn Du hier all die Ablehnung und die Unkenntnis siehst, die doch tatsächlich bei 90 % aller Leute herrscht, dann möchte ich wie ein rasender Roland dreinschlagen. Gott bekehrt niemand gewaltsam. Er bittet nur, reicht die Hand hin. Es muß aber im Menschen etwas entsprechendes sein, was anklingt, ein Gespür für Gott. Ich möchte das christliche Substanz nennen. Es ist das, was unsere Vorfahren angesammelt haben, was sie weitergegeben haben. Diese Substanz scheint mir fast ganz erschöpft, und wenn die Voraussetzungen fehlen, wie soll das gehen. Gott ist zwar langmütig, aber einmal ist Schluß. Er ist nicht der gute Papa mit dem Bart, der alles laufen läßt. Er hält auf furchtbares Gericht. Vielleicht, wie ein Kamerad sagt, ist es unser Los, kämpfend unterzugehen. Es ist schwer, hier die richtige Linie zu finden. Man gerät leicht in Gefahr, sich bei Gedanken über andere zu überheben und das Nächstliegenste, sich selbst, zu vergessen. Ein jeder muß mit seinem Talent wuchern. Ich werde ganz ruhig, wenn ich an die kürzlich gehaltene Rede des heiligen Vaters denke. Er sagt da, und er muß es schließlich wissen: „Die Macht der Mächte der Finsternis wird bald gebrochen werden, die ungeheuren Leiden der Völker werden ein Ende haben und eine neue glückliche Zeit wird anbrechen.“ So schrieb mir meine Mutter. Der heilige Vater wird derartiges bestimmt nicht sagen, wenn er nicht Belege dafür hat. Schließlich baut und lenkt Gott der Herr die Welt und läßt seinen Geist wehen, wie Er will.

Es grüßt Dich in Treue
Jan-Gerd.

Lieber!                       In Rußland, den 24.8.41.

Herzlichen Dank für die Briefe. Ich war darüber sehr froh. Plötzlich sah ich mich wieder in der jungen Gemeinschaft, in der ich schönste und kostbarste Stunden meines Lebens verbrachte. Heute, da ich nun schon längere Zeit Soldat bin und hierbei Menschen der verschiedensten Art und des verschiedensten Geistes kennenlernt – ihnen bemühte ich mich ein guter Kamerad zu sein und blieb den meisten im Innersten doch fremd – bin ich glücklich, von Menschen gleichen Geistes und gleichen Strebens zu wissen. Ich bin froh zu wissen von einem jungen Geschlecht, das seine Ideale in die Sterne schrieb, zu wissen von jungen Menschen, die sich unvoreingenommen um eine eigene Einsicht in das Wesen der Dinge bemühen, zu wissen von Menschen, die bereit sind den Glauben der Väter, den die meisten der Zeitgenossen nicht mehr kennen wollen, da sein Kleid durch die Schuld der Menschen verschlissen und bestaubt ist, durch ihr eigenes Leben vor ihren Mitmenschen zu rechtfertigen. Denn nach ihrer tiefsten Einsicht ist dieser Glaube der wahre.

Ich grüße alle Kampfgefährten in diesem heiligen Kampf.

Wir leben in einer Zeit der Entscheidung von größter Tragweite. Wir sind dankbar, daß wir zu diesen Entscheidungen unsern Teil beitragen dürfen. Der Krieg geht über die Völker als ein großes Leid, das uns – die wir so sehr dem Irdischen verhaftet sind – reif machen soll für die Ewigkeit.

Mein Bruder Clemens hat nun diese Zeit der Prüfungen durchschritten. Er ist am ersten Kampftage in Rußland gefallen. In einem seiner letzten Briefe äußerte er die gleichen tröstlichen Gedanken über den Tod, die Du in Deinem Schrieb vertratst. Für uns, die Zurückbleibenden ist dieser Abschied schwer und leidvoll. Aber Gottes Willen

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müssen wir uns beugen.

Nun habe ich auch meinen alten Trupp verlassen und bin zu unserer Nachrichtenkolonne übergesiedelt. Der Abschied von meinem alten Trupp ist mir nicht leicht gefallen, aber mit Rücksicht auf meinen Vater habe ich der Versetzung zugestimmt. Denn dieser neue Verein treibt sich nicht soweit vorne herum wie ein Bautrupp. Aber hier wie dort steht unser Leben in Gottes Hand.

Es grüßt Dich in alter Treue
Dein Toni.

Lieber!                   in Frankreich, den 14.9.41

..In den letzten Tagen mache ich viel Dienst, und das ist gut so, denn ich weiß, weshalb ich hier bin. Ich will ihn freudig tun, denn wie heißt es: Was wir tun müssen, wollen wir tun, denn das Muß ist das Privileg der Sklaven.

Ich freute mich über eine Nachricht von Willi in den Briefen. Am Abend des 26. Juli ging Willi in sein erstes Gefecht mit dem Sang der Komplet. Zu gleicher Stunde war ich in Köln, gerade angekommen, auf dem Wege zum Kapitol. Leider war die Komplet schon vorbei. Und doch dachte ich an die Kameraden, für die und mit denen ich gehen würde.

Wir brauchen Kraft für die Entscheidungen, die immer wieder an uns herantreten. „Brüder, seid nüchtern und wachsam, Euer Widersacher der Teufel, geht um wie ein brüllender Löwe, suchend, wen er verschlinge!“

Wie oft vergessen wir über den Nebensächlichkeiten das Wesentliche: Das Gebet, die Ehrenbezeugung vor dem Allerhöchsten, vor dem Allmächtigen Gott! Denken wir auch an unser Volk, daß der Herr seine Hand nicht wegnimmt in diesem Ringen!

Es grüßt die Kameraden in Treue.
Hans.

Lieber!                             Meudt, den 15.9.41.

.. Ich bin fest davon überzeugt, daß die meisten Menschen sich blauen Dunst vormachen, entweder nach dieser oder nach jener Richtung. Auch wir selbst tun es noch oft genug. Nach jeder Tat müßte man sich fragen: Warum hast Du das getan? Und wie oft müßten wir uns antworten: Aus diesem oder jenem egoistischen Grund. Und vor dieser ehrlichen Antwort hat die Welt Angst und fragt sich deshalb auch nicht mehr. ..

Eine genaue Adresse von Franz habe ich nicht. Er lag zuerst in Smolensk. Vor kurzem schrieb er aus einem Lazarett aus Warschau. Er hatte die Gelbsucht, wahrscheinlich vor Ekel. Wir können nicht dahin schreiben, er ist höchstwahrscheinlich schon wieder entlassen.

In Treue!           Dein Hafei.

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Lieber!                                 19.9.41.

..Augenblicklich, da ich mit einem elenden Darmkatarrh im Revier liege, führe ich mir die „Bekenntnisse“ des hl. Augustinus zu Gemüte, die für mich von entscheidender Bedeutung sind. So manches ging mir neu auf, z. B. von der Bedeutung des Gebetes, vom Bekenntnis der jungen Kirche, kurz, es ist für mich da ein großer Schatz zu heben! Nebenbei dürfte es zum mindesten recht interessant sein, diesem genialen Geist bei dem Bekenntnis seines Lebensweges zu folgen, und man muß sich sagen, daß es für das Denken der damaligen Zeit eigentlich wesentlich schwerer war, den Weg zu Christus zu finden. Zumal heute sich die Philosophie selbst bis zum Nichts durchgefressen hat! – Ich denke da auch gerade an ein Buch, das Du vielleicht kennst, „Vor der Entscheidung“ von Michael Pfliegler. (in Salzburg 1936 erschienen). –

Und da ich nun gerade bei Büchern bin, noch kurz etwas über das Buch von Reeb. Es kann mir, ehrlich gesagt, wenig imponieren. Ich meine, wir brauchen doch etwas viel ernsthafteres. Ist nicht der Titel „Christentum, Ende oder Wende?“ schon mehr ein schönes selbstgefälliges Schlagwort? Man kann und darf auch nicht in solcher Weise das Thema der Spaltung des Christentums anfassen. Es wird heute – gerade auch in diesem Punkte – viel mehr verlangt! –

Zum Schluß will ich Dir mit einem Wort von Christian Morgenstern meine „Lage“ charakterisieren:

„Sich bewußte ausweiten: Von Gegensatz zu Gegensatz gehen. Vom ersten bis zum letzten und umgekehrt. Keinen und nichts vergessen, übersehen, gering achten.“

Heil Dir!
Dein Helmut.

Lieber!                           Leipzig, den 20.9.51

Von Wilhelm bekam ich die Nachricht, daß Heinz Bode gefallen ist. Die Zahl derer, die mitten aus dem Schaffen gerufen wurden, wird immer größer. Wir wollen wenigstens ihr Werk, das sie zurückließen, vollenden. Da ist es gleich, wieviele das sind, wenn nur der Wille dazu da ist.

Beim letzten Urlaub hatte ich Gelegenheit in das Leben einer kleinen Gemeinschaft der Diaspora herein zu sehen. Das Leben ist anders als bei uns in der Heimat, aber zur guten Seite. Alles ist freier und offener. Das Bewußtsein der großen Gemeinschaft ist lebendiger. Den Abend sang alles die Vesper. Am Altar waren fast nur Soldaten, die überall her gekommen waren. und Aufnahme gefunden hatten in dieser Gemeinschaft. Da verschwindet die Frage nach den Sympatien vollkommen hinter dem anderen großen.

Die Kameraden schreiben wieder sehr fein. Ich glaube, das Gesicht der Briefe ist für weitere Zeit vorgezeichnet. Wenn im Anfang um das Gelingen Sorge bestand, so ist diese wohl jetzt behoben. Heinz versucht ja schon eine ganz treffende Entwicklungsgeschichte zu geben. Im übrigen wissen wir darum, das alles Tun nie vollkommen ist. Nie wird uns der Grund zum Aufpassen und uns selbst Aufrütteln genommen. Eine falsche Zufriedenheit darf es nie geben.

Dir und Euch allen frohe Grüße.
Dein Karl.

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Lieber!                        im Lazarett, am 29. Sept. 41

Zuerst muß ich Dich schnell über das „im Lazarett“ aufklären. Ich liege bereits seit 10 Tagen hier im Kriegslazarett in Kemi, einer reizenden finnischen Stadt am botnischen Meerbusen. Und zwar liege ich als „kranker Mann am Polarkreis“ hier. Ich habe mir so verschiedene Dinge in der herrlichen Witterung geholt, die aber alle nicht lebensgefährlich sind. An und für sich kommt es mir ja etwas komisch vor, Dir und allen Kameraden jetzt schreiben zu müssen, daß ich, während vorne die Kameraden weiterkämpfen, weit zurück im Lazarett liegen muß. Aber daran ist nun einmal nichts zu ändern. Ich wurde schon am 5. Sept. untersucht und für krank erklärt. Da aber damals tagtäglich unser großer Angriff steigen sollte, bin ich vorne geblieben und habe denn auch diesen Angriff mitgemacht. Zwei Tage danach bin ich umgekippt und daraufhin sofort zurückgeschickt worden. Aber ich will Dir mal der Reihe nach berichten.

Am 2. Sept. gingen wir, nachdem wir ostwärts Salla 2 russ. Divisionen vernichtet – wir haben diese Einheiten in einem Riesenkessel einen ganzen Monat zusammengetrieben -, und 60 km ostwärts Salla den wichtigen Ort Allakuti[?] im Sturm genommen hatten, hinter einer motor. Vorausabteilung der SS weiter nach Osten auf Kandalakscha zu. 10 km kamen wir vor trotz einiger Panzer, die vorne weg führen. Hier haben wir an der alten finnisch-russischen Grenze vor dem Grenzfluß und einer mit Betonbunkern gespickten Höhe bis zum 13. Sept. gelegen. Dreimal haben wir frontal angegriffen, nachdem wir im Dunkel den Fluß durchwatet und auf dem Bauch kriechend, vor uns eifrig mit dem Seitengewehr den Boden nach Minen absuchend, bis zum Bahndamm und der wichtigen Straße vorgearbeitet hatten. Dreimal haben wir in Stoßtruppunternehmen manchen Bunker geknackt, aber dreimal mußten wir der Übermacht wieder weichen und zurück durch den Bach in unsere Ausgangsstellungen. Und dann griffen wir natürlich mit lautem „Hurrah, hurrah!“ den Russen an. Die Russen haben an diesem Tage bestimmt mehr Verluste gehabt, als wir, aber wir hatten schon mehr als genug. Nachdem den ganzen Tag vorher schon Pak und Flak die Bunker bearbeitet hatten, ging es an diesem Samstag Morgen, den 13. Sept., dann hinter 25 Panzern, die Geleitschutz einer Unmenge von Pakgeschützen gaben, wieder durch den Bach und ran an den Berg. Am Nachmittag waren wir oben und am Abend bereits 10 km weiter vorgestoßen. Aber frage bitte nicht nach Einzelheiten dieser 10 Tage. Es war zu groß und zu furchtbar. Vielleicht erzähle ich Dir später davon. Nur nicht fragen. – Zwei Tage nach diesem bin ich dann zurückgeschickt worden und liege seit dem 19. hier in Kemi. Wie lange ich noch bleiben werde, weiß ich nicht. Ich hoffe recht bald, trotz des Winterwetters, wieder bei den Kameraden zu sein.

Gruß Dir.
In Treue!       Dein Willi.

Lieber!                       Hannover, den 5.10.41.

Am 2.10. hat nun auch mein Zivilleben seinen krönenden Abschluß gefunden, indem ich nämlich zum Flaksoldat befördert wurde. Eigentlich bin ich ein wenig froh, wenn man auch noch manchen Fluch wird unterdrücken müssen. Als Zivilist kam ich mir in letzter Zeit ein wenig geliehen vor.

Nun liege ich in einem Vorort von Hannover und denke über meine Sünden nach, d. h. in Kürze wird da wohl wenig Zeit zu sein. Bis jetzt bin ich schon als Sänger (weil „Aburent“) und Fußballspieler aufgeschrieben. Also Höchstleistungen auf allen Gebieten. Auf der Bude liegen wir zu zwei Kölnern. Sonst sind wir aus allen Gegenden zusammen gewürfelt, im ganzen 6 Studenten. Davon sind 2 stud.jur.,
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2 stud.phil., 1 stud.med. und ich stud.ing. Die Unterhaltung ist infolgedessen geistig anregend, wozu die Juristen viel beitragen.

Jetzt ruhe ich mich am Sonntagnachmittag ein wenig aus für die kommenden Ereignisse und von dem „anstrengenden“ Revierreinigen. Vorläufig bin ich mal wieder ganz klein, dumm und krumm, muß also wieder gehen und sprechen lernen. Soweit kommt das.

Dir und allen Kameraden frohe Grüße und alles Gute.
Dein Wilhelm
(Beruf: Rekrut.)

Lieber!                             Detmold, den 5. Okt. 1941

.. Unsere Waffenausbildung geht ihren gewohnten infanteristischen Gang. .. Ich verstand es öfters, in den schönen Teutoburger Wald rauszugehen. Die Landschaft ist ganz anders als bei uns im Rheinland. Der Wald ist noch unberührter, Eichen und Buchenwälder wechseln miteinander ab, die einzelnen Wildreviere sind durch große Gatter abgetrennt. Die schönen Bauernhäuser der Ortschaften liegen in großen Obstwiesen mit Hecken eingezäunt. Die Gänge bei dem herrlichen Herbstwetter tun einem gut nach dem Massenbetrieb in der Kaserne.

Nun muß ich schließen, die Stube wünscht zu essen. Ich wünsche Dir alles Gute. Heil Dir.
Dein Jupp.

Lieber!                       Dnjepropetrowsk, 7.10.41.

Endlich ist die so lange und heiß ersehnte Post angekommen. 6 Wochen ohne Verbindung mit der Heimat, Du kannst Dir kaum vorstellen, was das bedeutet. – In kurzen Zügen meine Erlebnisse:

Von Schitomir aus ging es mit der Bahn über Uman, Kirowograd nach hier. Es war eine herrliche Fahrt, meist in offenen Wagen. durch das unendliche Land. Das kann ich nicht beschreiben, sondern das muß man erleben. Man sieht alles wie durch ein Fernglas. Weit, entrückt, das, was man typisch russisch nennt. Eine erdrückend schwermütige Landschaft. Als wir hier ankamen, war die Hölle los. Die Stadt Tag und Nacht unter Beschuß von Eisenbahngeschützen. Die Front etwa 2 km entfernt. So habe ich wenigstens auch mal etwas vom Krieg gesehen, denn bisher habe ich außer am Bug noch keine Gelegenheit dazu gehabt, weil wir nur in feindfreiem Gelände arbeiten können. – Die Stadt ist sonst reizlos. In einer Kirche, die Bolschewisten hatten ein antireligiöses Museum daraus gemacht, zogen die Ukrainer gerade wieder mit ihren Kirchenschätzen ein. Ich habe dabei eine echte Ikone geschenkt bekommen, so dankbar waren die guten Leute für unser lebhaftes Interesse. Im übrigen geben mir andere Dinge hier viel zu denken. ..

.. Wir haben jetzt viel Zeit zur Arbeit an uns selbst. Alles, was wir hier sehen, leitet uns dazu an. Das Beste ist ein kindlicher Glaube und feste Zuversicht in Gottes Vaterhand. Ich lese mit Begeisterung und Freude jetzt viel im Angelus Silesius oder dem cherubinischen Wandersmann. Ich habe eine feine Inselausgabe geschickt bekommen.

Nun Gott befohlen. Einen frohen und herzlichen Gruß dir und allen Kameraden.
Jan-Gerd.

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Lieber!

.. Ich habe meine Zeit bei Klöckner bald um. Nachdem ich in der Werkzeugmacherei und beim Verteilerzusammenbau gearbeitet haben, bin ich nun in der Schlosserei. Hier herrscht ein Höllenlärm. Aber auch daran kann man sich gewöhnen. Eigenartiger Weise sind die Leute gerade hier, wo am allerschwersten vom ganzen Werk gearbeitet wird, am vergnügtesten. Immerhin bin ich jetzt ganz schön müde, wenn ich abends nach Hause komme. Aber andere Leute arbeiten noch viel mehr.
..
Heil Dir     Fifi.

Lieber!                       In Oslo, am 14. Okt. 1941

Du staunst wohl, daß ich Dir plötzlich aus der norwegischen Hauptstadt schreibe, aber in Kemi wollte und wollte meine Krankheit nicht besser werden. Mein Zustand ist nun folgender: In Kemi wurde ich mit einem Blasenkatarrh, erfrorenen Füßen, Muskelrheumatismus und Fieber eingeliefert. Der Blasenkatarrh war bald durch eine Woche Wärme und Trockenheit behoben. Die Füße sind mittlerweile auch aufgetaut. Die Schmerzen im Rücken, eben der Muskelrheumatismus, den ich mir in einer tollen Nacht im Zelt an der Ostsee zugezogen habe, vor meiner Soldatenzeit, werde ich nicht mehr so recht los. Das Fieber ist seit einigen Tagen gesunken, und ich hoffe, daß es endlich wieder normal wird. Das hat mir nämlich am meisten zu schaffen gemacht. Dann aber werde ich auf dem schnellsten Wege das Weite suchen. Je eher desto besser, denn von Oslo aus besteht für mich „ollen Finnlandkämpfer“ mit meine 13 Monaten „ohne“ (Urlaub ist gemeint!) die Möglichkeit, einen Heimaturlaub zu erhaschen. Daß ich die Gelegenheit beim Schopf fassen werde, wirst Du verstehen können. Ich stelle mir die Sache nun so vor: Urlaubsbeginn 25. bis 30. d.M., also wäre ich in der ersten Hälfte November in Köln zu treffen. Wie wäre es also mit einem Wiedersehen in Köln? Wenn Du dann etwas drehen könntest, wäre das eine ganz tolle Sache. – Die Briefe schicke bitte nach wie vor an meine alte Feldpostnr. ..

In Treue grüßt Dich
Dein Willi.

Lieber!                       Köln, den 24.10.41

.. Die Eltern von Andreas habe ich besucht. Sie zeigten mir Bilder und andere fabelhafte Sachen, die er aus Rußland heimgeschickt hatte oder die jetzt zurückkamen. Gerade aus diesen Bildern spricht Andreas noch einmal ganz klar. Besonders, wenn man seine Briefe kennt, zu denen ich manches Bild fand. Er sprach von der Windmühle oder dem eigenartigen Dreschverfahren. Zu dem hat er ganz prima Bilder gemacht. Im übrigen habe ich die große Kraft des Vaters bewundert. ..

Frohe Grüße.
Dein Karl.

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Lieber!                       Aachen, den 24.10.41

Ich denke noch immer an die schönen Tage, die wir zusammen sein konnten. Gestern traf ich Esch in Paderborn, und seit heute früh bin ich wieder in Aachen. In den letzten Tagen erfuhr ich in Kassel, daß sämtliche Leute meiner Gattung aus dem Heere entlassen werden. Vielleicht kannst Du Dir vorstellen, wie schwer mich das treffen wird. Und wahrscheinlich ist das erst der Anfang. ..

Beten wir weiter zusammen!
In Treue!
Dein Ernst.

Lieber!                    Iserlohn, den 31.10.41.

.. Nun werde ich doch in Iserlohn bleiben. Fürs erste kann ich nach dem Urteil des Arztes noch nicht heraus. Deswegen bin ich auf eine Schreibstube gesetzt worden. Hier sorge ich dafür, daß die aus Lazaretten Kommenden in Urlaub fahren können. Dadurch bekommt alles eine persönliche Note, weil das ja das größte Anliegen der Landser ist. Zudem habe ich genug Arbeit. Diese beiden Dinge söhnen vielleicht in etwa damit aus, daß ich da gelandet bin, worüber ich am meisten geschimpft habe. Im übrigen ist es ja Quatsch, sich Gedanken zu machen, denn man kommt dahin, wo man hin soll. Nichts geschieht ohne Sinn.

Dir herzliche Grüße.
Dein Karl.

Lieber Kamerad!                       16.11.41

Nun schnell noch ein paar Kurznachrichten. Ernst, den ich vor fünf Wochen in Kassel besuchte und mit dem ich zwei sehr feine Tage verbrachte, ist in Aachen bei seinem Ersatztruppenteil. Karl, aus dem Lazarett in Leipzig entlassen, ist also in Iserlohn und war in der Zwischenzeit in Köln in Urlaub. Willi war jetzt endlich auch in Urlaub, 14 Tage, ist letzten Dienstag wieder zu seiner Truppe. Vor acht Tagen war ich auch in Köln, und so waren wir zu viert, Willi, Ernst, der aus Aachen herübergekommen war, Fifi und ich für kurze Zeit zusammen.

Dir alles Gut.          Dein Leo.

Adressenänderungen:
Gefr. Hans Bolder                 L 38 367 Lgp. Brüssel.
Gefr. Karl Heinrichs             Flak-Ers.-Abt. 4, Iserlohn, Genesenenzug
Kan. Wilhelm Mohren         /3./Flak-Ers.-Abt.6 Hannover-Bothfeld.
Feldwe. Ernst Rausch           2./I.E.B. 453, Aachen, Körnerkaserne
Sold. Jan-Gerd Schwering   28 573
Gefr. Willi Strunck               10 492 D

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