Marga Ortmann an August Broil, 22. März 1943
Köln, am Montag nach dem 2. Fastensonntag.
Mein lieber August!
War das ein schöner Nachmittag, der uns gestern geschenkt wurde! Auf der Fahrt nach Hause, im stark besetzten Zuge, konnte ich ihn noch einmal in Gedanken überschauen. Wir müssen recht dankbar sein für diese Stunden und wollen uns darum bemühen, daß uns jedes Beisammensein ein Stück weiterbringt auf dem gemeinsamen Weg. Davon konnte man gestern schon etwas spüren; nach dem Austausch der Gedanken im Briefe wird uns auch das gesprochene Wort im Sichgegenüberstehen allmählich leichter werden.
Wir waren inmitten der vielen Soldaten, die alle einen ihnen lieben Menschen bei sich hatten, und doch waren all die Menschen um uns kein Hindernis, daß wir mit uns selbst allein waren. Gerade die äußere Abhängigkeit von den Dingen, wie sie uns nun gegeben sind, das Stehen in der Ordnung, in die Du nun hineingenommen bist – all das wird uns, wenn wir die rechte Einstellung dazu haben, dazu führen, daß wir innerlich frei davon werden.
Die rechte Einstellung dazu ist freilich nicht leicht, wir müssen sie uns erringen. Aus dem was Du mir erzählt hast habe ich gemerkt, daß Du Dich darum mühst zu all dem, was das Soldatensein für Dich mit sich bringt, die rechte Haltung zu finden und ich glaube sicher, daß es Dir gelingen wird. – Du fragst nach der Sendung, die Deutschland in der Geschichte, im Zusammenleben mit den anderen Völkern zu erfüllen hat und wie Du als Soldat dastehen mußt um dieser Sendung zu dienen, ja, ob Du ihr als Soldat überhaupt dienen kannst. Gewiß, jeder Einzelne muß sich für die Erfüllung dieser Sendung verantwortlich wissen und sein Teil dazu beitragen, aber ob das in der Form geschehen muß, die wir vielleicht für richtig halten, wissen wir nicht. Überschätzen wir da nicht oft – besonders der Mann – die Notwendigkeit des eigenen Tuns, indem wir versuchen aktiv die Entwicklung dem uns richtig scheinenden Ziel näher zu bringen? Wie oft hat es die Geschichte schon gezeigt, daß Gott – der ja auch Herr der Geschichte ist – auf ganz anderen Wegen die Entwicklung führt, als es die Menschen erwarten könnten. So ist die Frage nach der Sendung
unseres Volkes – so wichtig sie auch an sich ist – für Dich jetzt nicht die entscheidende. Zunächst geht es darum, wie Du mit Deinem Wesen, Deinen Fähigkeiten, Deiner „Weltanschauung“ nun den Platz ausfüllst, auf den Du gestellt bist. Es ist ja kein Zufall, daß Du dort hingestellt bist, sondern entscheidend sowohl für unser persönliches Leben wie auch für das unseres Volkes. Wenn Du nun bemüht bist die Aufgabe, die Dir ja gestellt ist, - und mag sie noch so unbedeutend erscheinen – ganz zu erfüllen, so gut wie eben möglich, glaubst Du nicht daß darin schon ein entscheidender Beitrag auch zu der Sendung unseres Volkes liegt, ganz gleich worin diese (wir haben über die Möglichkeiten gesprochen) besteht? Für einen Mann mag es schwer sein sich mit dieser Erkenntnis zu begnügen, weil darin vielleicht der Verzicht auf die eigene, große Tat, zu der es ihn drängt, liegt. Für die Frau ist es wohl leichter auch in den scheinbar kleinen, verborgenen Dingen den Dienst am Großen zu sehen, da ihr ganzes Leben ja nur Erfüllung im Stillen, Unscheinbaren findet. – Es ist nötig, daß Du als Soldat auch in der Ausführung der kleinsten, ja kleinlichen Dinge den Dienst am Großen siehst, damit sie Dich nicht beherrschen, sondern Du Herr darüber bist.
Wenn Du es fertigbringst all das, was von Dir verlangt wird, nicht auf den äußeren Zwang hin, sondern aus der inneren Freiheit heraus zu tun, hast Du schon viel erreicht. Wenn es dann noch in der rechten Meinung geschieht, dient es der Verherrlichung Gottes, der Gloria Dei.
August, ich glaube mit dem Verstand kannst Du Dir heute die rechte Einstellung zu Deinem Dienst als Soldat nicht suchen, die läßt sich nur mit einem gläubigen Herzen finden!
Die schönen Stunden des Beisammenseins waren so schnell vorüber, doch wir dürfen hoffen, daß ihnen noch viele weitere folgen werden und – wenn es so Gottes Wille ist – werden es einmal nicht nur Stunden und Tage, sondern Wochen und Jahre sein. Freust Du Dich mit mir auf diese Zeit?
Möge die Zeit Deines Soldatseins uns beiden dazu Bereitung sein.
Gnade und Segen des Herrn sei mit Dir
Deine Marga.