Marga Ortmann an August Broil, 25. März 1943
Am Fest Mariä Verkündigung.
Mein lieber August!
Es ist schon spät am Abend. Der Brief, den ich Dir heute mittag geschrieben, ist schon auf dem Wege zu Dir. Bis jetzt habe ich gebügelt und dabei kann man den Gedanken so gut freien Lauf geben, das macht mir die Arbeit so lieb. Die Familie ist noch in der Küche beisammen und plaudert, da will ich noch einmal zu Dir kommen, nicht nur in Gedanken wie jeden Abend vor dem Nachtgebet, sonder noch in einem Brief.
Gestern bin ich nach dem Dienst zu Deiner Mutter gegangen um ihr von Sonntag zu erzählen. Sie war gerade dabei Deine Bücher zu packen, da kam ich ja richtig und konnte gleich mit anfassen. Gut war es, daß wir bei der Arbeit so viel zu erzählen hatten und mir dadurch keine Zeit blieb hier und da hineinzuschauen, sonst wären wir sicher nicht fertig geworden. Dieses Einpacken ist mir schwer geworden, viel lieber hätte ich all das was Die lieb ist mit in mein Zimmer genommen, damit ich es immer um mich habe. Aber das geht ja nicht und für Deine Mutter ist es eine Beruhigung wenn sie alles im Keller sicher weiß. Wie schön wird es sein, wenn wir einmal gemeinsam ans Auspacken gehen können und Zeit haben gemeinsam zu lesen und das Gelesene zu besprechen. Das wid für uns beide sicher wertvoll werden, und wenn wir auch noch warten müssen,
wir dürfen uns doch schon darauf freuen.
Es waren feine Stunden in gemeinsamer Arbeit mit Deiner Mutter. Sie sprach davon, daß sie vielleicht an einem der nächsten Sonntage mit Deinem Vater zu Dir fahren wolle, wenn es jetzt Sonntag möglich ist kannst Du ja vielleicht Samstag zu Hause anrufen. Es wäre schön wenn wir es so einrichten könnten, daß Du jeden Sonntag jemand da hast. Meine Eltern haben sicher nichts dagegen wenn ich öfter zu Dir fahre, wer weiß wie lange wir noch Gelegenheit dazu haben. Es wäre aber doch gut, wenn Du ihnen einmal schreibst. Beide haben sich so sehr nach Dir erkundigt, als ich am Sonntagabend zurückkam; das hat richtig gut getan.
Am Dienstag haben wir mit vereinten Kräften Lores‘ Umzug getätigt. Die Einrichtung eines neuen Heimes macht doch viel Freude. Lore ist ganz glücklich, daß es nun doch noch mit der Wohnung geklappt hat, zumal sie im Sommer ein Kindchen erwartet. Mathias‘ Bruder Richard, ein rechter Übermut, hilft ihr bei allem. Er hat in Rußland einen Oberschenkelschuß abbekommen und dadurch ist ein Bein ganz gelähmt. Nach all den Entbehrungen des Krieges und der langen Lazarettzeit macht sich bei ihm nun ein rechter Lebenshunger bemerkbar. Er müßte jetzt nur in eine feste Hand kommen, die ihm
die rechte Grenze zeigt. Wir wollen ihn Samstagabend einmal mit zu Klüppels nehmen, vielleicht nimmt Georg sich seiner etwas an.
Du,August, zu dem was ich Dir heute morgen über den heutigen Festtag geschrieben, hätte ich Dir noch so vieles sagen wollen, doch es wird mir immer so schwer aus der Fülle der Gedanken einen klaren Faden herauszunehmen. Wenn ich dann wieder lese, was ich geschrieben, erscheint es mir leer gegenüber dem was in den Gedanken steht. Doch ich glaube, je mehr wir auf den Brief angewiesen sind, umso besser lernen wir uns verstehen und uns das zu sagen, was wir füreinander verspüren. Bei mir dauert es immer noch lange bis ich das was ich meine auf dem Papier stehen habe. Heute mittag habe ich über eine Stunde an dem Brief geschrieben. Doch das wird die Zeit schon alles lehren. Es sind mir die liebsten Stunden, wenn ich so mit Dir allein bin, wie jetzt, wenn alle anderen schon schlafen sind. Du liegst nun auch schon zwei Stunden zu Bett und hattest nach der Anstrengung des Dienstes wohl kaum Ruhe, Dich ein wenig zu sammeln. Wenn ein rechtes Gebet auch nicht möglich ist, laß keinen Abend vergehen ohne einen Gedanken an den Vater, der uns jeden Tag schenkt. Bei jedem Gebet, am Morgen und Abend und auch während des Tages, denke ich immer an Dich und
alles was ich tue, geschieht für Dich mit. Du mußt morgens so früh aufstehen weil es eben verlangt wird, da will ich es für den Herrn tun. Und wenn Du dann gegen 7 h antreten mußt, dann beginne ich den Tag für uns beide mit dem hl. Opfer. Mir sind da zwar schon oft Bedenken gekommen, ob es nicht Vermessenheit ist, täglich an diesem großen Geschehen teilzunehmen, wo doch jeder Tag noch so viel Versagen und Erliegen bringt. Würdig sind wir der Teilhabe nicht und können es auch nicht werden, aber wenn wir täglich mit der Bereitschaft zum Besserwerden zum Herrn kommen, wird Er uns dazu seine Gnade nicht versagen. Wir alle sind Glieder am corpus christi mysticum und jede Gnade, die der Einzelne erhält, wird allen anderen mit zuteil, so auch Dir und allen, die draußen sind. Genau so wird auch durch jede Sünde des Einzelnen der ganze Leib geschädigt. Wir sind uns der Verantwortung die wir für die Gestaltung des Leibes Christi haben noch viel zu wenig bewußt. Wir dürfen den Blick nicht im eigenen, persönlichen verlieren, sondern weiten für die größere Gemeinschaft!
Nun wünsche ich Dir eine gute Nacht
Deine Marga.