Marga Ortmann an August Broil, 29. März 1943

10. Köln, am Montag 29. März.

Mein lieber August!

War das ein trüber, regnerischer Tag gestern, der dritte Fastensonntag. Im strömenden Regen ging die ganze Familie wie allsonntäglich zum Dom zur hl. Messe. Davon läßt Vater nun einmal nicht ab. Das Einfügen in solche Gewohnheiten fällt oft recht schwer, denn es steht oft dem eigenen Willen entgegen, der lieber neue, eigene Wege geht. Und doch ist es schön so wie wir daheim den Sonntagmorgen gestalten; das gemeinsame Knien der ganzen Familie an der Kommunionbank gibt dem Sonntag seine Weihe. Das Frühstück zu Hause ist dann recht ausgiebig, dabei kommt meist das Thema der Predigt zur Sprache wobei auch Elisabeth schon mitreden darf. Die Meinungen zwischen den Eltern und mir gehen da oft weit auseinander. Ihre Einstellung im Religiösen ist eine ganz andere als wir sie haben, das spüre ich immer wieder. Es ist aber unklug, wenn man nun versuchen will sie zur selben Anschauung bringen zu wollen wie wir sie haben. Sie meinen dann gleich das „Alte“ sei uns nicht mehr gut genug und sie sind gegen alles Neue schon voreingenommen.

Aber auch alle Geschehnisse der Woche werden am Sonntagmorgen gemeinsam besprochen, Vater von seinen geschäftlichen Dingen, Mutter von den kleinen und großen Sorgen für die Familie, die Kinder erzählen aus der Schule und wir von unserem Tun. Gestern wurde viel Spaß dabei gemacht und alle waren recht froh und vergnügt. Besonders Vater hat dieses Plaudern am Sonntagmorgen so gern, dafür hat er immer Zeit. In der Woche kommt das bei all seiner Arbeit ja nur selten vor.

Den ganzen Tag über blieb die Sonne hinter den grauen Wolken gestern verborgen, daher war der Tag so recht dazu angetan einmal Ordnung zu schaffen. Wie im Inneren – das ist ja der Sinn der Fastenzeit – so auch im Äußeren in den Dingen, die mich täglich umgeben und ein Stück meiner Welt ausmachen. Es macht Freude wenn man nachher sieht daß dieses Ordnen gut war.

Auf dem Tisch in unserem Zimmer steht die Vase mit den Zweigen, die Du mir aus Galtür mitgebracht hast. Denk Dir nur, sie bekommen überall neue Triebe und aus den blaßgrünen Blütengebilden fällt der gelbe Blütenstaub. Du hast sie vom Baum in den Bergen für mich abgeschnitten als alles tief verschneit war und nun sind sie mir in meinem Zimmer Zeichen

des Frühlings, an dem ich mich täglich erfreuen kann.

Gestern nachmittag kam Cordula. Erst war es nur ein Plätzchen an der Oberfläche, das Gespräch mit ihr, doch als sie von Filmen sprach habe ich ihr ein paar Sätze gelesen, die ich mir nach dem Film „Die goldene Stadt“ aufgeschrieben habe. Sie war natürlich nicht damit einverstanden, wie ich darüber dacht; doch ich glaube es hat sie doch etwas nachdenken lassen. Ich schreibe Dir es einmal ab und schicke es mit.

Gestern abend waren wir mit Lore und Richard Heinen in der Oper Troubadour. Vielleicht war ich nicht dazu „aufgelegt“, ich habe nicht viel davon gehabt. Es ist wohl überhaupt besser in der Fastenzeit auf alles Derartige zu verzichten.

Wie magst Du wohl den Sonntag verbracht haben? Ich mußte den ganzen Tag an Dich denken. Jetzt, wo ich einmal da war, kann ich mir alles viel besser vorstellen. Beim Mittagessen, vor 12 h dachte ich mir, daß Du vielleicht zur gleichen Zeit mit Deinem Eßgeschirr in der Reihe standest um Dein Essen in Empfang zu nehmen und am Nachmittag, als die anderen in der Kantine waren, hast Du Dir den Tag zum Tag des Herrn gemacht. Ganz auf Dich allein gestellt, ohne äußere Hilfe, ohne Teilnahme am hl. Opfer mußt Du ihn Dir gestalten,

doch der Geist Gottes, der weht wo er will, wird auch in der Einsamkeit der Kaserne bei Dir sein. Der Turm der nahen Kirche grüßt zu Dir herüber und kündet Dir die Gegenwart des Herrn. Wenn Du bald einmal Stadturlaub hast können wir ja gemeinsam zu Ihm gehen und wenn wir dann noch einen Weg durch den nahen Wald machen können, so wird uns das froh und stark machen für die Zeit, da wir vieles entbehren müssen.

Deine Eltern wollen also nächsten Sonntag zu Dir kommen, Gertrud sagte es mir als ich anrief. Da muß ich halt noch eine Woche warten, dann ist auch sicher nicht so viel Betrieb da wie am Tag der Wehrmacht.

Nach dem regnerischen Sonntag meint es die Sonne heute doppelt gut, sie scheint jetzt in der Mittagszeit sogar in mein Fenster und macht den Raum, der meist recht dunkel ist, bis in den letzten Winkel hell. Möchte es doch in mir auch so hell und strahlend sein, auf daß wir auch denen davon mitgeben können, die im Dunkel sind.

Ich grüße Dich herzlich froh

Deine Marga.