August Broil an seine Frau Marga, 26. Dezember 1944
Am Fest des hl. Stephanus.
Meine liebe Marga,
der Winterhimmel wölbt sein klares blaues Gezelt weit über die Berge der Eifel. Die Sonne meint es in den Mittagsstunden ganz gut und taut mit ihren wärmenden Strahlen die dünne Schneedecke langsam weg. Die Luft duftet so klar und rein, und wenn der Luftraum nicht erfüllt ist von dem Lärm der Motoren und Geschosse und Bomben, dann ist weihnachtlicher Friede in der Natur. Und dann die Nächte, die bei dem hellen Mondlicht und der weißen Schneedecke so klar und leuchtend sind! Gestern machten wir einen kleinen Gang zum Nachbarort, wo Weihnachtsfeier war. Da habe ich das in der Natur so fein erlebt, was ich Dir hier erzähle.
Die Weihnachtsfeierstunde der Soldaten. Einen alten Fabrikraum hatte man schön mit Tannengrün hergerichtet. Ein offenes Holzfeuer brannte unter dem Kamin. Auf den Tischen brannten Kerzen mit warmem Licht zur Erhellung des Raumes. Den Baum entzündeten die Soldaten zu den Worten der Sprecher. Lesungen erzählten von dem uralten Brauchtum des deutschen Lichtfestes, und der Chef sprach in warmen Worten von der Soldatenweihnacht und von der Wiederkehr des Lichtes und des Lebens, als dem Urgrund alles völkischen Seins und Bestehens. Der Kreislauf des
beginne mit der Wende des Lichtes neue Kraft zu entfalten. Unser Glück und der Sinn unseres Lebens sei in dieser Lebenskraft begriffen. Schwer ist es, das Denken in solcher Stunde zu begrenzen auf das rein natürliche, und die Frage wird in der Sache laut, ob all die Kameraden gleichfalls kalt machen wollen oder ihre geheimste Sehnsucht aus der Welt hinaus zu dem Hohen und Großen, der unsere Geschicke sichtbarlich lenkt, gewaltsam verdrängen. Müssen wir ganz und gar im irdischen, vergänglichen haften, um unserem Volke voll und ganz zu dienen? Ist nicht jedes Volk auch Sein Geschöpf genau so wie jegliches Wesen und Ding? Wenn Er der Höchste ist, der Vater aller Dinge, warum nennen und bekennen wir ihn nicht? Aber er rechnet ja in unendlichen Zeiträumen, um Er läßt der Menschen Wunsch und Werk sich entwickeln, vielleicht sogar wachsen und blühen zum um so sicheren Untergang. Denn Sein Wille ist unergründlich.
Stephanus war der erste Mensch, der für Ihn durch Christus sein Leben lassen durfte. Es durfte das größste Opfer bringen, das Menschen für ihre Ideale bringen können: das Leben. Unser Volk fordert unzählige Opfer des Lebens, und viele sterben für ihr Ideal. Aber Herr des Lebens ist auch und bleibt der, der auch des Volkes Herr und Schöpfer ist. Tief im Herzen werden sie wohl alle gnadenhaft erkennen in ihrer Opferstunde, das ein Höherer, ein allmächtiger Gott ihr Opfer annimmt.
Aber sie alle können von ihrem letzten visionhaften Gedanken nichts mehr aussagen. Ob ein ganzes Volk Ihn erst verlieren muß, um Ihn endgültig zu gewinnen?
So kamen und kommen die Gedanken, die uns der Zwiespalt des weihnachtlichen Erlebens aufdrängt in dem Kreise, der mich jetzt umschließt. Wir wollen sie leicht totschweigen, sondern uns ihnen mutig und in innerer Sicherheit stellen; denn diese Auseinandersetzung wird uns nicht mehr ruhen lassen.
Unsere Weihnachtsfeierstunde verlief dann weiter ruhig und sauber weiter. Jeder Kamerad bekam eine große Tüte mit Backwerk und Rauchwaren oder sonstigen Kleinigkeiten. Einige, unter denen auch ich mich befand, fanden noch einen Brief vor, in dem ihnen zu einer Beförderung Glück gewünscht wurde. Das hatte man ssehr nett eingefädelt. So traten wir dann, recht zufrieden den Heimmarsch durch die inzwischen hereingebrochene Nacht an. In unserem Quartier haben wir mit den Familien zusammen noch eine besinnliche Weihnachtsstunde gehabt. Die Lichter des Baumes in unserer Stube brennen so mild und ruhig, während draussen das Lärmen der Motoren ging, die durch die Lüfte stieben und über die Straßen rollten. Die Gedanken aller waren wohl oft zu Hause bei den Lieben, denn so oft war es ganz still in dem Raum, jeder schweigend in seine Gedanken
vertieft. Wo magst Du diesen Weihnachtsabend zugebracht haben. Sicher bei der Familie in Reinstorf mit den Kindern. Und manche Stille wird bei Euch und bei Dir gewesen sein. Das waren wohl die Stillen, in denen sich unsere Gedanken so oft getroffen haben.
Heute habe ich Dir einige Kleinigkeiten geschickt, damit Du ein ganz klein wenig von dem mit mir teilen kannst, als Sinnbild dafür, daß alles uns gemeinsam ist.
Nun geht das Fest mit diesem Abend zu Ende, ein trotz aller Ferne und Trennung schönes Fest, und ich glaube fest, daß es für uns beide ein gutes, frohes und auch gnadenreiches Fest war.
So laßt uns denn dankbar und glücklich sein. In herzlicher Liebe
Dein August.