August Broil an seine Frau Marga, 4. März 1944

Offensen, den 4/3.44.

Meine liebe Marga,

Heute schon kam ein erster Brief von Dir in die Einsamkeit des Dorfes. Es war der Brief, den Du nach Deiner Rückkehr aus Bremen geschrieben hast und der in sich beschloß die ganze Fülle dessen, was wir in den wenigen Stunden der Gemeinsamkeit erleben durften. Mit welch feinen Worten, die tief an das Herz gehen, schreibst Du von dem Geheimnis, das nun unter Deinem Herzen zu wachsen beginnt. Können wir das Geheimnis des Lebens, das in Dir wird, überhaupt begreifen?

So sehr die Menschen in die Rätsel der Natur eindringen und den Schleier lüften können von all dem

was unseren Vorfahren noch verborgen war, vor dem Geheimnis des Leben stehen sie alle machtlos, und sie können nicht anders als einzuräumen, daß dort etwas so Tiefes und Großes beginnt vor dem sie ehrerbietig stille stehen müssen. Sie bringen nicht die Ehrlichkeit und Geradheit auf, da das offenbare Walten des Schöpfer-Gottes anzuerkennen. Es ist ja auch nicht nachweisbar, sondern man muß glauben, und glauben ist schwer in unserem rationalistischen Zeitalter. Uns aber soll das Geheimnis des Lebens ganz besonderer Hinweis auf das göttliche Werken sein, das ja im Grunde überall erfahren werden

kann, wenn das Auge des Glaubens wach und offen ist.

Nun, liebste Marga, ist Dein Leib gesegnet. In unser beider Willen ist es gelegt worden, das Schöpfungswerk Gottes in der Lebensspendung vollziehen zu lassen. Wir waren um der Tragweite und des inneren Wertes unseres Tuns stets bewußt. Dankbar müssen wir dem Herrn für solche Einsicht sein. Zugleich legt uns dieses Bewußtsein für unser ganzes Leben den Weg vor, den wir beschreiten müssen, um Gottes Willen zu vollziehen.

Nun ist uns Gewißheit gegeben um das Wachsen unserer Familie. Zwei in einem Fleische - so erwähnst Du in Deinem Briefe - sind wir jetzt erst

richtig, geworden durch die Gemeinsamkeit in der Liebe. Das ganze tiefe Einssein, auch jetzt noch, da uns Gewißheit wurde, wird unserem Kinde zugute kommen, weil die Einheit erst ganz wird in der vollen seelischen und körperlichen Vereinigung. - Du, ich denke an unsere herrlichen Stunden in Bremen. Und wenn es Gottes Wille ist, dann hoffen wir auf weitere Stunden des Zusammenseins, die wir mit vollem und guten Wirken ausfüllen werden für unser Kind.

Du hast die rechten Worte gefunden für dieses Wirken. Nicht die Öpferchen sollen es sein, die

hier und da etwas zusammenstückeln, sondern die Haltung in unserem Leben, das nicht leicht zu werden verspricht, allein schon im Hinblick darauf, daß wir bald lange getrennt sein müssen. Wir wollen uns da keiner Täuschung und falscher Hoffnung hingeben, sondern den Tatsachen klar und offen entgegensehen. Nur so kann sich ja die rechte Haltung erst festigen und bewähren. Alles was kommen wird, wollen wir frohen Herzens kommen lassen, wenn auch die Düsternis der Stunde oft genug größer sein mag als das frohe Licht. Diese Tiefen und Schwierigkeiten wollen wir in der rechten Haltung meistern.

Nun sind die Tage hier im Dorf schon zahlreicher geworden. Gestern lag ein weißes Winterkleid - zum erstenmal in diesem Jahre sah ich ein solches Bild - über dem weiten Land. Heute hat die frühlingswarme Sonne und der dampfende Boden die weiße Pracht schon wieder vergehen lassen: bald wird Frühling sein.

Es scheint als ob ich mit meinem Kameraden Glück habe. Er ist Luxemburger und ein anständiger Mensch. Hoffentlich kann ich ihm auch Kamerad sein.

Meine Liebste, ich danke Dir noch einmal für Deinen feinen Brief. Könnte ich ihn ebenso fein beantworten.

Freude uns beiden

Dein August