August Broil an seine Frau Marga, 27. Mai 1944
Am Abend vor Pfingsten
Meine liebe Marga,
die Tage um Pfingsten sind für uns beide voll schönster Erinnerungen des gemeinsamen Erlebens. In dieser Woche mußte ich oft an die herannahenden Feiertage denken und an all die schönen Dinge, die uns in lange vergangenen Jahren beim Herannahen des Festes erfreuten. Gestern abend wurden mir die Gedanken an uns beide besonders gegenwärtig. Es war nach langer Kühle und Unfreundlichkeit des Wetters wieder ein guter Frühlingstag geworden. Die Sonne hatte geglänzt und war nun fast versunken. Die laue, milde Luft stand fast still zwischen den Bäumen und Sträuchern, die ihre durch die neue Wärme frisch erweckten Blüten den Augen darboten. Es war ein rechter Abend zum beschaulichen Sinnen. Und in dieser Stunde, meine Liebste, warst Du ganz nahe bei mir. Denn es war eine rechte Stunde zum stillen Beisammensein. Wir hätten auf einer Bank unter einer hohen Kastanie im Südpark oder draußen am Weiher sitzen müssen, und dann hätten wir wieder so viel von alldem erzählen können, was unsere Herzen bewegt und darinnen auf- und niedergeht. Da mußte ich an all das Gute denken, das uns beide bei der Feier des letzten Pfingstfestes widerfuhr. Da kam ich das erste mal zu Dir in Urlaub und wir feierten die feine Stunde in der Krypta, bei der wir uns die Hände reichten und uns die Ringe gaben zum Gelöbnis dessen, was nun so herrliche Wirklichkeit geworden ist: unsere ganze Gemeinsamkeit, unser Glück. Wie war ich doch noch so befangen und wie schmerzte es mich, daß ich Dir die tiefen Kammern meines Herzens noch nicht auftun konnte. Du hast gespürt, was in mir los war, aber wir durften trotzdem den vorgezeichneten Weg gehen. Wir sind draußen am Weiher gewesen und haben lange Zeit unter den Eschen gelagert. Ich hätte Dir alles sagen mögen, wie ich es später im Brief getan habe, aber die Worte kamen mir nicht über die Lippen. Mein Herz war
wohl in der Tiefe schon recht froh, daß ich springen und Dich den Hügel hinanziehen konnte wie ein ausgelassener Bube. Marga, Du Liebste, wie gut und schwer und schön war doch das alles. Und wie gerne gehen wir in unseren Erinnerungen darauf zurück. Bei diesen Erinnerungen muß ich daran denken, wie schön wie uns davon erzählten, wenn wir bis spät in die Nacht hinein Arm in Arm lagen und wir garnicht müde wurden.
Nun ist wieder der Vorabend des hohen Festes da, und weit auseinandergespannt ist der Bogen der Ferne zwischen uns beiden. Zwischen den beiden Festen liegen die großen Ereignisse und Erlebnisse in unserem neuen gemeinsamen Leben, das wahrlich ein ganz neues Leben ist. Große Freuden hat der Herr uns bereitet, er hat unsere Liebe auf das beste gesegnet, sodaß wir beide in der schönsten Erwartung stehen. Unsere geheimen Wünsche, unsere Sehnsucht, unsere Hoffnungen haben sich so voll erfüllt. Du Marga, mit welcher Freude können wir nun an die Feier dieses neuen Pfingstfestes herangehen!
Ich erzählte Dir vom gestrigen Abend; doch ich war noch nicht ganz zu Ende damit. Die Post sollte noch kommen, und in der Stille hatte ich Hoffnung auf einen Brief von Dir. Und Dein Brief kam. Du, das war ein feiner, wundersamer Brief, der tief in das Herzinnere hineinsprach und mir wieder ganz viel von Dir erzählte, wie es jetzt immer stärker aus Deinen Briefen zu spüren ist. Die Gemeinsamkeit und das deren fortwährendes Innewerden durch das Leben unseres Kindleins hat Dein Inneres so umgestaltet, daß es jetzt Deine ganze Sehnsucht ist, alles auch das Kleinste und Unscheinbarste mir anzuvertrauen. Du glaubst nicht, Liebste, wie glücklich mich dieser Gedanke macht. Ach und wenn ich fast aus jeder Zeile Deine Sehnsucht spüre, mich bei Dir zu haben, dann möchte ich zu Dir hineilen und Dir mit meinen Händen und mit meinem Mund etwas ganz Liebes tun. Schreib mir bitte immer von Deiner Sehnsucht, sage sie mir ganz so wie Du sie in Deinem Herzen spürst. Denn dann fühle ich Dich so nahe bei mir, und ich meine fast zu spüren, wie
Du mit Deinen Händen über mein Haar streichst und Deinen Kuss auf meine Lippen drückst. Wie lieb und fein und zart hast Du am Schlusse Deines langen Briefes davon gesprochen. Ich bin ganz besonders froh, Du liebe Marga, daß gerade Du mir so schreiben kannst. Denn das ist für Dich etwas so Einmaliges, Großes, daß ich es kaum fassen kann. Solch ein kleiner Satz sagt mir von Dir und Deiner Liebe so unendlich viel. Denn so selbstverständlich diese zarten Dinge zwischen Menschen, die einander so zugetan sind, auch sein mögen, wenn aber Du es schreiben kannst, dann ist das für mich ganz wunderbar. Ich kann es in Worten nur schlecht ausdrücken, was mir solch ein Satz von Dir bedeutet. Es schlägt mir wie ein liebender glückerfüllter Hauch entgegen.
Marga, Liebste, wie schön hast Du von Deiner Fahrt zur Madonna nach Altenberg berichtet und welch große Erlebnisse hast Du auf dieser einsamen Fahrt gehabt. Ich spüre, wie Du bei jedem Schritt daran gedacht hast, daß ich jetzt im Geiste neben Dir gehe und Dich bei der Hand nehme oder meinen Arm um Deine Schultern lege, damit Du gut behütet gehen kannst. Mein Blick wird von mal zu mal sich zur Seite wenden und die zarte Wölbung Deines gesegneten Leibes umfangen. Ja Liebste, ich bin wirklich mit Dir gegangen während des Lesens. Das Ende des Muttergottes-Monats schließt noch das Pfingstfest in ihn ein. Die heiligen Geheimnisse der Gottesmutter sind im Wirken des Heiligen Geistes begriffen. Durch Sein Wirken hat Er aller Welt den Trost, die Freude und die Hoffnung wiedergebracht. Hat je eine Zeit Seinen Trost notwendiger bedurft als die unsere. Und soll in dieser Zeit sein tröstendes Erlösungswerk weniger sein als zu allen Zeiten? Wir spüren wenig im Getriebe des Krieges von Seinem Wirken. Und doch muß es da sein, wie die Gottesmutter da ist und unsere Zuflucht ist. Aber das Beten um Seinen Trost ist schwach und klein. Wann leuchtet in dem Wirrsal und Getriebe hier einmal nur ein kleines Fünkchen? Jetzt beim Schreiben Deines Briefes ist wohl soviel Ruhe in mir, daß ich mich ein wenig vortasten kann. Du, die Sonne hat heute hell und sehr
warm vom klaren Himmel gestrahlt. Es ist mir wie in den früheren Jahren zum Pfingstfest, daß in der hellen starken Sonnenkraft, sich das Licht aus der Höhe dokumentieren will. Du Marga, wir brauchen viel von dem hellen klaren Licht in der Welt. Laßt uns beide versuchen, in unseren Herzen etwas davon zu erfahren. Wenn die Not wächst und das Glück groß wird, dann wissen wir ganz sicher, daß wir die Kraft haben werden, beides zu tragen, Seine Kraft, Sein Licht, das Licht des Heiligen Geistes.
Und nun meine liebe Marga, laßt uns ein gutes Pfingstfest feiern, getrennt und doch vereint, einsam in der Welt und doch das Herz voller Vertrauen, ausgesetzt allen Gefahren und doch sicher geborgen.
Du Liebste sollst an diesem Pfingstfest bei mir sein so nahe und so schön wie wir es nur wünschen können
Dein August.