Werner Niederwipper an Kaplan Stiesch, 17. März 1940
Bromberg, am 17. März 1940.
Lieber Herr Kaplan!
Zunächst danke ich Ihnen für Ihren Brief und das Neue Testament, über welches ich mich sehr gefreut habe. Ich sende Ihnen nun heute meinen Gruß aus dem kalten Polen, in welches nun doch endlich der Frühling seinen Einzug halten will. Es scheint wenigstens so, als ob er sich verzweifelte Mühe gäbe.
Bevor ich weiter schreibe, möchte ich Sie aber bitten, mich in Zukunft mit Du und Werner anzureden. Erstens schreibt es sich so besser, und zweitens treten Sie damit in alte Tradition und Gebräuchlichkeit ein.
Ich komme erst heute dazu, Ihnen zu antworten, weil ich soviel Post hier bekomme, daß ich sie bei der knappen Freizeit unmöglich alle pünktlich beantworten kann.
Ja, der Frühling naht mit Brausen. Nachdem es gestern noch den ganzen Tag geschneit hat, scheint nun heute die Sonne schön warm, daß man seine Freude daran hat, wenn man 6 Monate Schnee und Eis hinter sich hat.
Heute ist der Tag der Wehrmacht, und die Kaserne wimmelt von Zivilisten. Heute kann hier jeder Bromberger, der seinen Deutschtumsausweis vorlegen kann, gegen eine entsprechende Spende für das Kriegswinterhilfswerk, die Kaserne besuchen und sich das Leben und Treiben der Soldaten aus nächster Nähe ansehen. Überhaupt ist das Verhältnis zwischen Stadtbevölkerung und Militär ein gutes. Der Dienst läßt auch nichts zu wünschen übrig. Wir machen täglich Ausmärsche, die uns in die Wälder um Bromberg führen. Es ist nur gut, daß der Schnee noch liegt und alles hart gefroren ist, sonst würden wir bei jedem Schritt im Sand versinken und manchen Schweißtropfen verlieren.
Zum bevorstehenden Osterfest wünsche ich Ihnen Gottes Gnade und sege.
Es grüßt Sie herzlich
Werner Niederwippper