Sammelbrief von Peter Klein, 27. April 1940
Breslau, den 27.4.1940
Liebe Freunde!
Nun bin ich schon 8 Wochen Soldat und gerade heute 8 Wochen hier in Breslau in der Kaserne. Viele Grüße sind in diesen Wochen zu mir hergeflattert von manchem von Euch und von manchem unserer gemeinsamen Freunde, die irgendwo an der Front stehen – der eine hier, der andere dort. Euch allen hier – mit nochmals herzlichem Dank.
Mir geht es hier recht gut. Der Dienst ist durchaus erträglich: Exerzieren mit und ohne Tragbahre, Geländeübungen mit und ohne Gasmaske, Märsche und dann viel Unterricht und Übungen im Verbinden.
Da bei unserer Kompanie der ganze Sonntag dienstfrei ist, habe ich jeden Sonntag die Möglichkeit, das hl. Opfer
zu feiern. In meiner Kompanie sind wir zu 3 Geistlichen, auf meiner Stube bin ich der einzige. – Wir liegen auf der Stube zu 14 Mann. Außer mir gehen noch 1-3 Mann sonntags zur Kirche. Aber auch mit diesen ist religiös nicht allzu viel los. Auf anderen Stuben liegen Kameraden, von denen ich weiß, daß sie zu Hause tüchtig in der Pfarre bzw. in Kath. Gemeinschaften mitgetan haben. Ich kann Euch versichern: das sind ganz andere Kerle! Hier draußen in der Kaserne ist mir selber mal handgreiflich aufgegangen, was für ein Unterschied es ist, ob einer zu Hause nur gerade noch eben sonntags zur Kirche geht, oder ob er in einer lebendigen Gemeinschaft religiös lebendiger Menschen steht. Ihr könnt mir glauben, daß ich froh wäre, auf
meiner Stube wenigstens einen solchen Kameraden zu haben. Mit den andern ist eben vielfach – religiös und zum Teil auch auf andern „Gebieten“ – nichts Richtiges los. Gewiß gibt es auch sonst noch viele feine Kerle. Aber sie sind nicht immer leicht herauszufinden, denn sie werden, wie überhaupt alle feineren Menschen, von denen, die „die große Schnauze“ haben, von den Gemeinen, Rohen, Schmutzigen sozusagen erdrückt. Das ist überhaupt das Traurige: daß die schmutzigen und gemeinen Kerle immer die größte Klappe haben – da sieht es dann aus, als seien sie immer in der Mehrheit, und so bekommt man leicht ein ganz falsches Bild.
Aber ich bin – trotz vielem Unerfreulichen, was man an so vie-
len Kameraden erlebt, doch froh, hier mitten unter den Menschen zu stehen. Denn so gründlich kommt man als Priester sonst wohl kaum unter die Menschen wie gerade hier, wo man als Kamerad, als einer ihresgleichen unter ihnen steht und das ganze Leben vom Morgen bis zum Abend mit ihnen teilt, darunter mit manchen Menschen, die von sich aus nie den Weg zu einem Priester finden würden und an die sonst nie ein Priester näher herankommen könnte. Hat es Christus selbst nicht ebenso getan und ist unter die Menschen gegangen, um einer ihresgleichen zu sein, um mitten unter ihnen zu stehen als ihr Bruder? –
Nun will ich Euch noch schnell was Feines erzählen: Sonntag vor 8 Tagen war hier große Feierstunde der männl. Jugend in der Vinzenzkirche.
Die Feier bildete den Abschluß eines Einkehrtages, den Peter Esch aus Köln für hiesige Jungen gehalten hatte. P. Esch – der doch „in Sachen Einkehrtage“ sicher schon allerhand gewohnt ist, war über die Beteiligung erstaunt und begeistert: 270 Mann! Auch bei der Feierstunde, an der ich teilnahm, und die für die ganze Breslauer kath. männl. Jungend war, bot sich ein erfreuliches Bild: viel frische Kerle und viel Feldgrau.
Nun habe ich lange genug erzählt. Föxchen Vosen hat sicher schon längst ein paar Klicker rollen lassen… Aber jetzt soll auch Schluß sein. Seid versichert, daß ich im Gebet recht oft an Euch denke. Nun bitte ich Euch, auch an mich hin und wieder im Gebet und bei der