Kaplan Stiesch an Dr. Alois Sistermann (?), Juli 1940 (?)
[ohne Datum]
Lieber Freund!
Die Enzyklika kam heute wohlbehalten an. Der Lauf ist gut vollendet worden. Sie hat bei den meisten nur ein zwei Tage gelegen, so dasz sie ziemlich schnell alle erreicht hat. Jeder schrieb rechts von seinem Namen den Eingang mit dem Datum und links die Weitersendung mit dem Datum.
In einer Beziehung bin ich allerdings weniger optimistisch. Ich glaube nämlich, dasz die Enzykliken nicht so schnell ihr Ziel erreichen, wenn da nicht jedes Mal ein Namensverzeichnis beiliegt. Vor allem halte ich es für möglich, dasz der eine oder andere die Anschrift vergiszt, an die der Brief weitergeschickt werden sollte. Daher lege ich einige Durchschläge mit den Adressen bei und rate sie den folgenden Enzykliken zuzufügen.
Hier hat sich seit meinem letzten Brief nicht viel nennenswertes ereignet. Mein Schwager Walter bekommt hoffentlich eine Stellung in Gelsenkirchen. Über das neueste aus Kaiserswerth wurden wir durch Frl Wenzel informiert, die uns dieser Tage besucht hat. Wir waren in einigen Kölner Kirchen, so in Andreas mit dem überreichen Schmuck der Altäre und dem Grabe des Albertus Magnus, in Minoriten mit dem Kolpingsgrab in anderen und in Maria im Kapitol. Diese Kirche wird augenblicklich durchgreifend erneuert. Wir waren in der mächtigen Krypta. Der Vater von Kaplan Angenaendt lies uns hinein.
Was soll ich sonst erzählen? Die Jungen und die Jungmänner machen einem Spasz. Sie freun sich darauf, Soldat zu werden und ich glaube schon, dasz sie ihre Sache gut machen werden. Viele haben einen recht strengen Lebensstil und ich glaube, dasz ihnen tüchtige Offiziere auszer der eigentlich militärischen Ausbildung ein gutes Teil zur Menschenbildung geben können.