Kaplan Stiesch an Rudi Conin, 9. Juli 1940

Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg

19 Juli 1940

Lieber Rudi!

Über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut! Herzlichen Dank. Du wirst Dich schon durchsetzen und die Schar dort in Deinem Geiste, dem der neuen Jugend formen. In der Nähe ist seit einigen Tagen auch mein Schwager. Er ist als Soldat eingezogen worden und befindet sich jetzt in Halberstadt bei Bodenpersonal der Luftwaffe.

Du willst etwas über unsere Gruppe wissen. Einen Heimabend für die jüngere Gruppe habe ich selbst gehalten. Es waren etwa 10 Mann zur Stelle. Da ich grade zufällig eine Liste angefertigt und vervielfältigt hatte, schicke ich Dir einen Durchschlag mit und werde Dir von Zeit zu Zeit berichten. Neuerdings tut Willi Winterscheidt auch wieder mit. Seine Mutter ist wieder zu Hause vom Krankenhaus zurück und so kann er leichter abkommen. Der Josef Kann vom Gr Brunnenweg wird, glaube ich, auch mal ein feiner Kerl. Leider hatte ich ihn bisher selten eingeladen, weil ich ihn noch nicht kannte. Ebenso auch Paul Blum An den Birken.

Einen Abend über die germanische Religionsgeschichte hielt Franz Ley. Das beste war eine anschließende Diskussion zwischen Franz Ley und Willi Geurtz. Letzterer spielte den neugläubigen oder nichtchristlichen Menschen, Franz Ley vertrat den rechtgläubigen Standpunkt. In der Form der Dialoge hat schon am Anfang der menschlichen Bemühungen um die Weisheit und Wahrheit der grosze Platon seine tiefsten Weisheiten ausgesprochen.

Dann hielten wir einen stimmungsvollen Abend auf der Bühne, der dem Abschiedsabend für W Stupp ähnelte (auf der Bühne). Der Pfarrer war auch da. Leider musz ich gestehen, dasz die Rochianer

mehr Lieder können als wir.

Das Kreuz haben wir schon ersammelt und angeschafft. Otto und Willi Geurtz haben es bei Pustet gekauft. Es ist sehr schön, wenn auch bedeutend anspruchsloser als das der Jungfrauen. Schlauer wäre es gewesen zu warten bis der Krieg vorüber war und dann bei Herrn Bartsch eins anfertigen zu lassen. Fehler müssen gemacht werden damit man daraus lernt. Ich mache auch jeden Tag die notwendige Anzahl von Böcken.

Sonntag nahm Kaplan Küpper Abschied. Gestern ist er verzogen. Der neue Kaplan heiszt Ewald Fröhlich und war bisher in St Marien in Oberhausen. Er ist 1904 geboren, also 6 Jahre älter als ich und 1929 geweiht, ein Jahr nach meinem Bruder in Benrath. Diesen habe ich gestern besucht. Bis Leverkusen fuhr ich mit der Straszenbahn, von dort aus mit dem Zug. Im Zug war ein Soldat, dem man den Marsch durch Frankreich ansah. Ich kam mit ihm ins Gespräch, und er erzählte mir, dasz er zur Beerdigung seiner Mutter fahre, von deren Tod er telegrafisch Mitteilung erhalten hatte. Ein schweres Los hatte er zu tragen. Ich bedauerte zum ersten [Mal] lebhaft, keine Zigaretten bei mir zu haben. Zu gern hätte ich ihm ein Döschen geschenkt. Es wäre hier das Richtige gewesen, so viel schöner ich auch die Formen der neuen Jugend finde, die nicht raucht.

Nun sei herzliche gegrüszt von Deinem