Kaplan Stiesch an Willi Stupp, 13. August 1940
13. Aug 40
Lieber Willi!
Für Deinen umfangreichen Brief herzlichen Dank! Sehr interessant, was Du schreibst, hoffentlich lassen Deine Vorschläge sich verwirklichen. Heute abend kommt der Kaplan Heuser von Bocklemünd, der sehr gut Orgel spielt und am Klavier Lieder begleitet, und wird uns in Alte Choräle (= im Sinne Alter protestantischer Kirchenlieder) und alte geistliche Lieder einführen und sie uns vorspielen, entweder bei mir hier in der Wohnung, oder wir gehen auf die Orgel. Bin mal gespannt wer kommt, weil viele jetzt natürlich in die Ferien gereist und unterwegs sind. Bei der Gelegenheit will ich wahrscheinlich Deinen Brief mal ganz oder teilweise vorlesen und besprechen. Deine Formulierung, dasz der Arbeitsmann aufbaut und der Soldat zerstört, ist wohl doch nur halb richtig. Auch der Soldat baut auf, und zwar neue Machtverhältnisse und neue politische Ordnungen. Man müszte sonst ja am soldatischen Beruf verzweifeln. Aber immerhin ist es schön, dasz Du Deinem Leben einen solch tieferen Sinn abzugewinnen suchst. Manch einen mag es geben, der stumpf alles über sich ergehen läszt und nur an den vitalen Sehnsüchten leidet.
Ich würde den Arbeitsdienst im wesentlich als Vorstufe zum Soldatentum erleben wollen. Ich merke oft, dasz mir etwas fehlt, weil ich nie eine soldatische Schulung durchgemacht habe. Einen Hauch davon hat allerdings das Gemeinschaftsleben des Seminares, so merkwürdig das klingen mag. Aber Soldat und Mönch gehören zusammen, vergleiche das Buch dieses Titels.
Die Geschichtsabende gehen weiter. Allerdings wird es mit den schriftlichen Arbeiten nicht klappen. Die meisten bringen den Elan dazu nicht auf. Sie werden wohl auch zu stark in Anspruch genommen sein. Jeder ist ja durch den dauernden Alarm übermüdet und tut nicht mehr, als eben unbedingte Pflicht ist.
Nun alles Gute in Treue Dein