Kaplan Stiesch an Werner Niederwipper, 30. September 1940

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf Schlehdornweg 1

30. Sept 40

Lieber Werner!

Das war ja ein interessanter Brief, den Du da geschrieben hast über die Kathedrale. Du gehst gewisz mit offenen Augen durch die Welt und saugst so viel nur möglich von allem Schönen in Dich hinein. Mein Gott, wie schön ist Deine Welt…. fängt ja ein Lied an.

Heute abend findet sich hoffentlich eine Gelegenheit, Deinen Brief vorzulesen. Wir müssen leider eine Reihe der tüchtigsten verabschieden. In den RAD kommen Rudi Conin, Franz Ley, Willi Winterscheidt, Hubert Zingsheim, auszerdem Bongartz, Langen Mandt, Schwarz, Driessen, Klein Höschler, Kaiser Sandweg Schomer, und andere.

Zum Militär kommen Willi Stupp und Rudolf Silckeroth. Dieser hat in sich plötzlich künstlerische Qualitäten entdeckt, zeichnerische und plastische. Er hat zB den Kopf seines Vaters modelliert in Ton und Gips, ganz ordentlich. Wer weisz, ob das nicht noch mal was wird. In der Familie steckt es drin. Der Vater selbst zeichnet gut. Ein Bruder von ihm ist Bildhauer von Beruf.

Den Pfarrhelferposten wird jetzt endgültig Heinz Otto Mundorf übernehmen. Initiative hat er ja ohne Zweifel. Manchmal könnte er vielleicht ein wenig bedächtiger sein.

1 Oktober 1940

Gestern abend hatten wir den Abschiedsabend. Ich habe gestern abend Deinen Brief und einen vom Ludwig Kreuser verlesen. Alle hörten sehr interessiert zu. Solche Abende, denen ein konkreter Anlasz zu Grunde liegt, gelingen ja gewöhnlich am besten. Die Stimmung ist dann von vornherein gegeben. So war es auch gestern abend. Herr Kaplan

war auch zu Besuch dabei. – Heute kam auch eine böse Nachricht. Franz Orth vom Grünen Brunnenweg, den Du sicher auch gut kennst, ist diese Nacht gestorben. Er hatte eine vereiterte Blinddarmentzündung und wurde operiert. Er ist glaube ich in Bremen gestorben. Schade, wie uns oft die besten so früh entrissen werden. Und für die Familie tut es mir auch sehr leid. R. i. p. Dasz unser alter Meszdiener, der Herr Marizy gestorben ist, weiszt Du doch sicher auch?

Zwei Kapläne von Rochus, Milde und Schiffer sind auch dieser Tage eingezogen worden, Schiffer nach Wien, Milde nach Münster, beide Luftwaffensanitäter. Es heiszt, das Kaplan Milde, wegen einer Kniescheibenverletzung, wohl zurückgestellt werde.

Wir haben einen neuen Kaplan namens Fröhlich. Kaplan Küpper ist versetzt nach Wuppertal Barmen St Antonius. Ich habe jetzt die Meszdiener und die Bücherei dazu übernommen. Hoffentlich bleiben die Meszdiener gut in Schusz. Kaplan Berghs musz ja nach allen Schilderungen ein geborener Pädagoge und Jugendfreund gewesen sein. Ob wir solch vorbildliche Meszdienerverhältnisse noch mal erreichen, wie sie da waren?

Die Gruppen der Meszdiener werden durch Hans Werres und Hans Eiermann mitversorgt. Die Gruppen der Jungen werden durch Peter Haas und Otto Mundorf geführt.

Im November soll eine religiöse Jugendwoche stattfinden, die Pater Justus halten wird, ein Franziskanerpater, der sehr lustig sein kann und eine gut fundierte Theologie besitzt. Nur die Verdunklung macht uns Sorgen. Na ja, vielleicht ist dann der Krieg zu Ende.

Nun bitte ich noch um Entschuldigung, dasz die Antwort so lange auf sich hat warten lassen. Ich hatte den Brief im Kirchenlied liegen, weil ich ihn in einem gröszeren Kreis verlesen wollte. Nun bot sich entweder keine Gelegenheit, oder andres kam dazwischen

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