Hermann Wengelski an Kaplan Stiesch, 27. Oktober 1940

Chaumont, 27.10.40.

21892 E

Sehr verehrter Herr Kaplan!

Ich war angenehm überrascht, als ich dieser Tage durch meine Frau Ihren lieben Brief bekam. Meinen herzlichsten Dank dafür. Ja, der Urlaub, welcher übrigens mein erster war, ist schnell vergangen. Es ist so ein angenehmes Gefühl, wenn man nach siebenmonatiger Soldatenzeit in die Heimat kommt, und findet eine eigene und gesunde Familie vor. Marita ist ja ein goldiges Mädel geworden. Leider hat sie ihren Papi nicht wieder erkannt.

Und der kleine Hermann war, als ich kam auch schon 5 ½ Monate alt. Ich sah ihn da zum ersten Mal. Ich hatte mich draußen im Felde manchmal nach ihm gesehnt.

Ich hatte im Juni am Durchbruch der Maginotlinie südlich Saarbrücken teilgenommen. Bis zum Waffenstillstand in Frankreich hatten wir große Aufgaben zu erfüllen. Wir zogen als s. M. G. Kompanie bei der Infantrie aus. Jetzt liegen wir in der Champagne als Besatzungstruppe.

Und nun, werter Herr Kaplan, kann ich Ihnen mitteilen, daß es mir gesundheitlich gut geht, was ich von Ihnen und Ihren lieben Eltern erwarte. Wie es Ihnen wohl bekannt ist, ist den deutschen Soldaten die Teilnahme an französischen Gottesdiensten verboten. Man will da verschiedene Gründe für haben. Trotzdem wollen wir unsern Herrgott nicht vergessen, er hatte in bitteren Kämpfen mir manchmal zur Seite gestanden. Unser Divisionsgeistlicher sorgte für unsere Komunion vor, wie auch nach den Kämpfen.

Und nun, werter Herr Kaplan, freue mich mich auf ein baldiges Wiedersehen und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr Hermann Wengelski

Desgleichen viele Grüße an Ihre Eltern.