Kaplan Stiesch an Ludwig Kreuser, 9 November 1940
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf
9. November 1940
Lieber Herr Kreuser!
Vorgestern war Joseph hier und da haben wir Ihren Lieben Brief gelesen und viel von Ihnen allen erzählt. Da müssen Ihnen doch die Ohren geklungen haben. Das kam so. Joseph kam zu uns und gerade wollte er gehen, als die Sirene losging für den Fliegeralarm. Es blieb nichts anders übrig, als gemütlich erzählend in der Küche eine ruhige Zeit abzuwarten. Und die kam erst gegen ½ 11. In dieser Nacht ist in Köln einiges passiert. Auf die Karl Borromäuskirche in Sülz wurden Brandbomben abgeworfen. Dazu ein Paket Brandbomben auf die Dresdener Bank. Es gelang alles schnell unschädlich zu machen. Leider soll aber ein Kind dabei ums Leben gekommen sein.
Hier in der Pfarre geht alles seinen Gang, in vielem müssen wir uns behelfen. Der Organist Herr Meurer ist wie Sie sicher wissen eingezogen. Zuerst hat der Karl Heinz Hodes seine Stelle vertreten, ein Musikschüler, der etwa 17 Jahre alt ist. Nun ist der in Mauritius fest angestellt worden und jetzt musz Frl. Wagner spielen. Den Küsterdienst macht ein Junge namens Joseph Werres, übrigens sehr gut. Vielleicht kann der Joseph eines Tages auch mal aushelfen. Die Mitglieder der Familie Kreuser sind ja alle recht musikalisch. Der Hans hat in seinem Urlaub mal ein wenig auf der Orgel gespielt
Alle religiösen Heimabende sind durch den häufigen früh Alarm natürlich sehr behindert. Und die Jungen sind meist auch rechtschaffen müde, weil ja so viel Arbeit durch die wenigen in der Heimat getan werden musz. Und so sind die Kreise manchmal
recht klein geworden. Aber intim und schön ist es doch oft. Ich selbst gehe immer bereichert aus diesen Stunden heim. Man lernt es so die Dinge des Lebens in der Schau der Jungen von 17-18 Jahren sehen. Und das ist recht wertvoll. Die Auffassungen sind selten so stark in Flusz gewesen wie heute. Und wenn man da 30 Jahre alt ist, ist man schon durch einen mächtigen geistigen Wall von der jüngeren Generation getrennt.
Nun meinen herzlichen Dank für Ihren Brief. Ich werde ihn bald bei den Jungen vorlesen. Ich hatte ihn schon mitgenommen. Aber die Zeit hatte nicht gelangt. Und bald erhalten Sie wieder einen Feuerreiter. Aber Sie brauchen darauf gewisz nicht zu antworten. Damit will ich Ihnen keine Zeit stehlen.
Herzlichen Grusz
Ihr