Kaplan Stiesch an Hermann Wengelski, 9. November 1940

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf  

9. November 1940

Lieber Hermann!

Für Deinen Brief herzlichen Dank! Und herzlichen Glückwunsch zum Stammhalter! Auch ich hatte natürlich nichts davon gewuszt. Und was magst Du in Sorge und Erwartung gewesen sein, als Du da in den schweren Tagen drauszen sein musztest! Ich stelle mir kaum etwas schöner vor, als wenn man nach langer Zeit der Trennung wieder in die Heimat kommt. Wie neu sieht einen dann alles an und doch auch wieder wie vertraut und mit Erinnerungen beladen.

Ich denke immer mit groszer Freude an die Tage zurück die ich in Kaiserswerth habe verbringen dürfen. Unglaublich was man in solch kurzen 4 ½ Jahren alles erleben kann. Und auch die Zeit hier in Bickendorf formt natürlich wieder stark an mir. Hier habe ich in erster Linie die Sorge um die Jungen von 14 – 18 Jahren. Man lernt da, alles in der Schau dieser Jungen sehen und wird geistig selbst wieder jung und bekommt manche wertvolle Anregung.

Und mal erst Dein Kriegserlebnis! Wer hätte das, in den friedlichen idyllischen Tagen gedacht. Als der Chor Dir noch ein Ständchen brachte mit dem Fackelzug! Wie ist das alles vergangen! Hier ist alles gesund, man hört ja oft, beim Militär würde man selten krank. Was man in normalen Tagen nicht aushalte, gelinge dort leicht. So erzählt mir jedenfalls mein Vetter, der auch in Polen und im Westen viel mit erlebt hat.

Nun hoffe ich Dir alles Gute und vor allem, dass Du gesund und munter nach Hause kommst und dasz wir uns dann mal froh wiedersehen können. Einmal musz es ja doch zu Ende gehen. Und

vielleicht geht es schneller als wir erwartet hatten.

Alles Gute und herzlichen Grusz