Konrad Friesenhahn an Frau Stiesch, 2. Dezember 1940

2.12.40.

Liebe Tante Düne!

Nun kam heute auch Dein Päckchen an als Gruß zum Namenstag. Es ist ganz gut, dass es verspätet kam, denn die Vorräte schrumpfen ja sehr schnell und so hatte ich sofort wieder eine feine Ergänzung.

Allem voran der schöne, dicke „Antiskorbutapfel“, ganz prima die Fußlappen (Farbe praktisch „Braucht man nie zu waschen“.) Das Studentenfutter und der Pfefferminz mit den Bonbons sind begehrte Artikel bei den langen Märschen. Herzlichen Dank dafür!

Ja, Du hast Recht, das Heimweh ist im dritten Jahr des Soldatenseins stärker als je geworden. Im ersten Jahr als Rekruten standen wir dem vielen Neuen aufgeschlossen und interessiert gegenüber, dann kamen die beiden Feldzüge und nun wo jeder Tag durch den Krieg bedingt ist und er uns noch fesselt, fällt alles doppelt schwer. Es ist langweilig geworden, wir erlebten ja alles schon im nüchternen Ernst der Gefechte, es kommt uns eher blöde vor immer unter „Annahme feindlichen Feuers“ uns in den Dreck zu legen oder draußen zu frieren. Und weil es den anderen auch so geht, sucht

sich jeder seine Entspannung. Unsere Freizeit ist knapp bemessen, Alkohol dagegen erfordert nicht viel Mußestunden. In einer halben Stunde kann man sehr schnell „vollgelaufen“ sein. So gehen heute auch all die Kameraden, die früher noch anders waren, diese bequeme Straße der Selbsttäuschung und lassen alle anderen Interessen erkalten. Lange Soldatenzeit hat bestimmt verheerende Folgen und wenn ich mir Offiziere ansehe und schnüffle nach was sie lesen und was sie treiben, dann ist man noch mehr erschüttert.

Und wenn man so bleibt dann taugt man nichts für den Kommiß und wird nicht für voll angesehen (wenigstens solange es nicht schießt). Darum ist es mein einziger Wunsch hier möglichst schnell wegzukommen – oder kannst Du es verstehen wieder in den Krieg zu ziehen. Hier besteht die Gefahr einer Verblödung, im Krieg gibt es neue Eindrücke, Erlebnisse und unvergessliche Begegnungen. Nicht umsonst sind meine Träume, wenn ich einmal welche habe, aus jenen ernsten Tagen der Bewährung vom Konni zum Konrad.

Nun frohen Gruß und dank auch für Onkel Hermann und Rudi

Dein Konrad