Kaplan Stiesch an Willi Stupp, 7. Januar 1941
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
7. Januar 1941
Lieber Willi!
Das war ja eine Überraschung als der Geldbriefträger hier auf einmal Deine 10 RM abgab. Daran hätte ich am allerwenigsten gedacht. Und so erklecklich ist Euer Sold ja eigentlich auch nicht, dasz Du solche Opfer bringen dürftest.
Ich danke Dir also im Namen der Jungen und werde die 10 M in ihrem Interesse verwenden.
Für Deine Neujahrswünsche danke ich ebenfalls nochmals. Ich habe schon eine kurze Antwort nach Lübben geschickt und hoffe, dasz sie Dir nachgeschickt worden ist.
Gestern abend haben wir die hl Dreikönige gefeiert. Ich habe aus Joseph Wittigs Leben Jesu den Bethlehemitischen Kindermord vorgelesen, eine sehr feine mit persönlichem Humor getränkte Stelle. Leider steht das Werk als solches und ganzes auf dem Index der Kirche, weil es wohl in einigen Punkten miszverständlich ist. Ich glaube es jedoch verantworten zu können schon einmal eine solch hübsche Stelle vorzulesen.
Am nächsten Sonntag werden wir hier einen Tag religiöser Besinnung für die Jungen haben, den uns Kaplan Milde halten wird. Hoffentlich gelingt alles gut. Grade höre ich, dasz Heinz Otto Mundorf erkältet zu Bett liegt. Das wird ja der Vorbereitung des Abends Abbruch tun.
Und was sagst Du von Berlin? Als ich Primaner war, habe ich auch dort einige Wochen zubringen dürfen. Es gehört ja schon einige geistige Reife dazu, um ein solches Phänomen zu bewältigen. Und grade das bedeutendste an in Museen aufgestapelter Kunst
und Kultur, wird man jetzt im Krieg nicht zu sehen bekommen. Und den Geist Friedrichs II zu erfassen, war ich damals noch zu unvorbereitet. Vielleicht gelänge mir so etwas heute eher.
Einige schöne Antworten auf unsere Weihnachtsbriefe haben wir bekommen, so von Rudi Conin und Joachim Nelles, der mir persönlich noch unbekannt ist. Hubert Gülden ist auch seit einigen Tagen im RAD. Ich musz mich glaube ich mal intensiver um die kommende Generation kümmern. Die Arbeit reisst ja nie ab. Es ist wohl gut, dasz ich jetzt die Meszdiener habe, und dadurch vielen Jungen doch bedeutend näher rücke als früher. Von unserer „Bubenweihnachten“ habe ich Dir doch geschrieben. Und sonst werde ich es Dir erzählen. Du wirst doch hoffentlich einmal Urlaub haben, und hier in stolzer Uniform paradieren?
Herzlichst Dein