Willi Winterscheid an Kaplan Stiesch, 8. Februar 1941
D.-Dorf, den 8.2.41.
Sehr verehrter Herr Kaplan!
Ich habe Ihren Brief mit Freude dankend erhalten. Nun bin ich schon in der 4.ten Woche Soldat. Doch „Wundern“ ist uns nun auch schon ausgegangen. Wir haben hier nun Rekruten bekommen, so daß ich nun schon zu den alten Böcken zähle. Hier wird das Unmöglichste möglich gemacht. Wir liegen im Dienst, vor allem während des Fußdienstes hier mehr im Dreck, als wir stehen. Ich habe mich vor kurzem zu den Kriegs-Offiziers-Bewerbern gemeldet, und werde demnächst einen mehrwöchigen Lehrgang mitmachen. Stadturlaub hatten wir erst einmal, aber geschlossen. Dabei wurden wir zu 20 Mann von einem Unteroffizier ausgeführt. Da muß man natürlich mitmachen, wo es hin will. Und da gings von einem Lokal ins andere. Morgen haben wir wahrscheinlich unseren ersten Einzelausgang. Von meiner Krankheit habe ich mich Gott sei Dank wieder erholt. Die Kammeraden auf der Stube sind alle bis auf einen in Ordnung. Es sind meist schon ältere verheiratete Männer. Ein Junge in meinem Alter, mit dem ich mich auch näher angefreundet habe. Der Sohn eines evangelischen Pastors. Er hat mich durch sein Beispiel wenn ich es mal vergaß ans Beten oder ähnliches erinnert. Im übrigen bete ich hier bald mehr wie zu
Hause. Der sonntägliche Gottesdienst mit Predigt fehlt mir hier merklich. In diesem Monat kommen wir wahrscheinlich noch weg, weils bald losgehen soll. Ich habe immer etwas Angst, daß ich vielleicht einmal nicht wieder heim kommen könnte, das soll keine Feigheit sein, aber wenn man noch jung ist, fällt einem das Sterben doch nicht so leicht. Am Ende muß ich es aber ruhig dem Heiland überlassen, was Er mit mir vorhat. Ich möchte Sie auch an dieser Stelle bitten, ab und zu in Ihrem Gebete an mich zu denken. Für heute grüße ich Sie auf das herzlichste als
Ihr Willi Winterscheidt
Viele Grüß auch an alle anderen Kammeraden.
Die Kaserne liegt in Grafenburg, an der Haltestelle der Linie 12 nach Ratingen.