Josef Kreuser an Kaplan Stiesch, März 1941
[ohne Datum]
Sehr geehrter Herr Kaplan Stiesch!
Soeben erhielt ich Ihre schöne Ansichtskarte, wofür ich Ihnen herzlich danke. Nun sind Sie mir im Schreiben doch noch zuvor gekommen. Ich war gerade dabei Ihnen ein Brief zu schreiben. Man hat im R.A.D. nicht immer Gelegenheit zum schreiben und ehe ich meinen Brüdern, Schwestern, Verwandten und Bekannten geschrieben habe, vergehen immerhin einige Wochen. Für die Verzögerung im Schreiben bitte ich vielmals um Entschuldigung. Zudem wusste ich nicht mehr Ihre Strasse und Hausnummer. Traurig aber wahr! Ich will Ihnen nun in kurzen Worten berichten, was ich bisher im R.A.D. erlebt habe.
Der Zug fuhr vom Hauptbahnhof ab nach Richtung Düren. In Düren stiegen wir um nach Hückelhoven. Alle Jungens unserer Abteilung wohnen in Köln und Umgebung. Die meistens Jungens kannten sich untereinander und daher haben wir auf der Fahrt manch schöne Stunden verlebt. In Hückelhoven angekommen, pendelte die ganze
Gesellschaft die Landstrasse entlang zum Lager. Unterwegs wurde eine Pause gemacht und in eine Gastwirtschaft eingekehrt. Hier holten wir unser Frühstück nach. Beim verlassen der Gastwirtschaft erklang das schöne Heimatlied von Willi Ostermann gedichtet, „wenn ich su an ming Hemat denke und sinn de Dom su für me stonn, möch ich dereck ob Heim ahnschwenke ich möch zu foss no kölle jon.“ Als wir im Lager ankamen wurden wir sofort in einzelne Truppen eingeteilt. Anschließend wurden wir nach und nach eingekleidet. Bis dass wir uns vollständig eingelebt und eingerichtet hatten verging immerhin 1 Woche. Nach ungefähr 10 Tagen wurde ich mit 7 andere Kameraden zum Krankenhaus in Neuwerk bei M’-Gladbach abkommandiert zur Untersuchung und Beobachtung. Hauptsächlich Herzuntersuchung. Im Krankenhaus lebten wir wie die Fürsten. Nach 3tägiger gründlicher Untersuchung kehrten wir wieder zum Lager zurück.
Einige Tage danach bekam ich vom Obertruppführer die Nachricht, dass ich gesund bin und jeden Dienst mitmachen dürfte oder deutlicher gesagt, mitmachen muß. Nun ja, lieber gesund sein und Dienst mitmachen, als krank zu sein und keinen Dienst mitmachen zu dürfen. Nach etwa 2 ½ wöchiger Ausbildung, rückte unsere Abt. plötzlich aus und zwar in der Nähe des kath. Jugendhauses. Ich sollte zuerst mit ausrücken, habe aber im letzten Augenblick mit einem Kameraden aus der Nebenstube getauscht, und bin mit 12 anderen Kameraden im Lager als Wachhabender zurückgeblieben. Wir haben jetzt einen sehr gemütlichen Dienst, nämlich nur abwechselnd Wache schieben und den Bauarbeitern im Lager, ohne Aufsicht und Anschnautzerei, behilflich zu sein. So machen wir nun Tag für Tag unseren Dienst. Es ist schade, dass ich an den in den nächsten Tagen stattfindenden Jugendpredigten nicht
teilnehmen kann. Ich habe nämlich einen Seelenhunger nach geistiger Nahrung. Hier im R.A.D. hat man leider nicht die Möglichkeit den Heiland in der hl. Messe oder solche Jugendpredigten zu besuchen. Ich habe zum Glück im Herbst vergangenen Jahres die Jugendwoche in St. Rochus mitgemacht. Schon damals hatte ich die Ahnung gehabt, dass ich an den Jugendvorträgen in St. Dreikönigen wegen Einberufung nicht mehr teilnehmen konnte. Der Brief würde zu lang werden und die Zeit reicht nicht mehr um über nähere Einzelheiten zu erzählen. Aber eins möchte ich Ihnen und den Kameraden aus der Pfarrjugend sagen: „Man muß schon geistig und religiös geschult sein um im R.A.D. oder beim Militär seinen Mann zu stehen. Jetzt erst merkt man wie wichtig es ist in einer so großen blauen Luft wie im R.A.D., in religiöser und charakterlicher Beziehung fest zu stehen. Wenn man tüchtig die Heimabende besucht und innerlich ernsthaft kämpft, so braucht man um seine Zukunft nicht zu bangen.
Es grüßt Sie und alle Kameraden der Pfarrjugend
Josef Kreuser