Kaplan Stiesch an Jochen Soddemann, 26. März 1941

26. März 1941

Lieber Jochen!

Für Deinen langen Brief herzlichen Dank. Ich denke am nächsten Montag mal wieder Soldatenbriefe vorzulesen und dann wird Deiner dabei sein. Und dann will ich nochmal trommeln, daß die schreibfaulen Kerle mal was mehr dran tun. Das hört man ja öfter: „Die Soldatenbriefe, das übernehmen wir“. Ich möchte nicht sehen, was dabei herauskäme. Doch ich will nicht schimpfen. Die Jugendwoche vorige Woche war schön. Jeden abend etwa 75 Jungen und 100 Mädchen. Und dann die neuen alten Lieder: Dein Lob Herr ruft der Himmel aus. Das war schon etwas. Der Pater selbst hat seine Sache gut gemacht. Für meinen Geschmack wenigstens. Es gibt ja immer welche, die sich dies und jenes anders gewünscht hätten. ich freute mich über die vitale und leichtverständliche Art zu sprechen, die er hat.

Karl Egon Klein und Josef Kann scheinen nicht dazu zu kriegen sein zu schreiben. Sie wollen erst von Dir einen Gruß haben. Die Adressenkarte rechnen sie nicht mit.

Bei uns war immer noch kein Besuch in der Pfarrbücherei. An dem Tag als er kommen sollte, war der Pfarrer nicht da als der verantwortliche. Sie wollten am nächsten Tag wiederkommen, taten es aber nicht. Die Sache läuft übrigens bloß im Regierungsbezirk Köln, sonst geht die Arbeit überall ungehemmt weiter. Die Buchgemeinde arbeitet unvermindert nach wie vor. Sie leidet nur unter Paper und Personalmangel, daher dauern die Lieferfristen länger als sonst.

Und der Kardinal. Für mich war es schon bedeutend, weil er mir

die Weihe gegeben hat. Ich bin also pneumatisch mit ihm verbunden. Und wer wird der neue. Das weiß kein Mensch. Manche Kapläne wünschen sich den Pfarrer Lefarth von St Joseph in Düsseldorf. Ich kenne ihn nicht. Aber der Pater Justus hat wohl recht, wenn er sich einen Pfarrer wünscht als neuen Oberhirten, keinen Professor und dergl. Es kann keiner Oberhirt sein, der nicht Hirt war meint er wohl mit Recht. Wenn ich mir den Klerus besehe, den ich im Laufe der Jahre kennen lernte, würde ich mich den Pfarrer Stöcker wünschen. Früher Studienrat in Düsseldorf Oberkassel, jetzt in Villip bei Bonn. Er ist Soldat des Weltkrieges, verwundet, mit EK I. In seinen Auffassungen modern, hat ernsthaft studiert, keine Angst davor ein paar orientalische Sprachen zu lernen, kunstsinnig, kann einem den Geist der Bauformen klar machen uä, eine Führernatur, der in die 500 Jungen der Commeniusschule mal wieder Raison kriegte, als andere verzweifelt es aufgaben. Nun ja. Ich danke Gott, daß er uns den Richtigen schicken wird. Der richtige ist der, der gewählt wird, auch wenn wir uns einen andern vorgestellt hatten.

Übrigens, Du schreibst von der Eroica! Natürlich! Ich glaube gradezu an Beethoven, daß in ihm sich ein beträchtlicher Funke des Gottesgeistes offenbart hat. Wenn Du mal hier bist, muß ich Dir mal den Dietrich von Hildebrand leihen: Der Geist des Ludwig van Beethoven. Hier wird Beethoven als einer der absolutesten Menschen überhaupt gewürdigt und zwar nicht mit Phrasen sondern mit guten Gründen. Und das schöne Buch, was leider nicht mehr zu bekommen ist, von Romain Rolland: Beethovens Meisterjahre von der Eroica bis zur Appassionata. Du wirst es nie vergessen, wenn Du es einmal gelegen hast. In der UB in Bonn wirst Du es noch entleihen können.

   Herzlichst