Hans Kleinsorg an Kaplan Stiesch, 8. Mai 1941

Bonn Venusberg 8.5.41

Sehr geehrter Herr Kaplan!

Für Ihre lieben Zeilen danke ich Ihnen etwas verspätet. Aber kurz nach der Ankunft Ihres Briefes, der auch den Aufruf an die katholische Pfarrjugend St. Dreikönigen enthielt, musste ich, an einer verschleppten Angina mit hohen Temperaturen erkrankt, das Lazarett als Aufenthalt nehmen. Nach meiner Wiedergesundung fuhr ich dann noch eine Woche in Erholungsurlaub nach Köln und bin so erst seit gestern abend wieder voll bei der Kompanie.

Was mein Leben und vor allen Dingen das Zusammenleben hier betrifft, so muß ich dazu bemerken, dass wir – wir sind bereits dreimal umgezogen, zuerst mit 8 Mann, dann mit elf und heute mit 16 Mann auf einer Stube liegend – je weniger wir waren, umso besser miteinander auskamen, obwohl wir doch eigentlich immer länger dabei sind und deshalb besser auskommen müssten.

Über die Moral und Sitten der einzelnen zu reden, verlohnt sich nicht, soweit es Nichtchristen sind, ist es so trostlos wie bei allen Menschen die aus diesem Morast von ich möchte fast sagen Unmenschentum kommen. Auch hier war allerdings in Münster, unserer ersten Unterkunft, auf unserer Stube nichts von alledem. Ein Theologe sorgte

schon durch bloße Anwesenheit dafür, dass jegliches Zoten unterblieb. Und so war es in Münster einfach. Aber jetzt ist das bei 16 Leuten alles anders. Von einer Stubenkameradschaft ist nicht mehr zu reden. Alles schimpft und redet durcheinander. Die einzige Freude am Tag sind die einzelnen Lernstunden am Abend, in denen sie das vom Tage in der San. Ausbildung gehörte, vertiefen sollen. Da beginnen sie dann plötzlich uns, die wir es leichter begreifen, zu fragen und zu bitten. Sonntags stehen wir Katholiken dann vor dem Wecken auf und besuchen in einem nahegelegenen Liebfrauenhaus die heilige Messe, die einer der unseren im grünen Rock feiert. Nun seien Sie recht herzlich gegrüßt von Ihrem

Hans Kleinsorg