Rudi Conin an Kaplan Stiesch, 22. Mai 1941
22.5.41.
Hochwürden
Ihnen zuerst meinen herzlichen Dank für das Buch sowie für die beiden Briefe. Über das Buch habe ich mich sehr gefreut und da wir ja hier sehr viel Zeit haben, habe ich es sofort gelesen.
Dieser Kampf ist sicher einzig und allein. Diese Männer können wir als Vorbild nehmen. Mit nichts einen solchen Sieg erringen, dazu noch auf verlorenem Posten. Wie diese Männer müssen wir heute stehen. Wie die Türken auf die Deutschen sahen und dadurch auch aushielten, so sieht man ja auch heute auf uns. Auf uns, eine kleine Schar auch, kommt es an. Wahrlich ein Leitziel für die Heimabende.
Meine Hauptbeschäftigung besteht jetzt hier in Lesen. Ich habe jetzt damit angefangen die Bücher von Flex zu lesen. Ich las das Buch „12 Bismark’s“ Es war zwar nicht so überzeugend wie sein Buch „Wanderer zwischen beiden Welten“, das wohl sein Meisterwerk ist. Flex war ja im Haus Leidmark Hauslehrer und zeichnet uns da fein die Typen von 12 Generationen. Heute fing ich mit dem Buch “Briefe von Walter Flex“, welches von Lothar Flex bearbeitet worden ist, an. Das Buch zeigt uns zuerst den Lebensweg Flexs und gibt dann Auszüge aus seinen briefen wieder. Diese Briefe will ich nun nicht verschlingen und habe ich auch heute noch nicht damit begonnen, denn man muß auch die Stimmung, um den Ausdruck zu gebrauchen, haben.
Ich möchte da nun auf den 1. Abschnitt Ihres letzten Briefes kommen. Prof. Clemens muß
recht geben. Auf Wache draußen in den 2 Stunden nachts greift man oft zu den Liedern, die wir uns angeeignet haben. Da kommt einem auch der Sinn des Liedes viel eher vor Augen. Man braucht die Lieder nun nicht gerade zu singen, ja ich bin dazu übergegangen manches Lied zu sprechen. Das geht natürlich nicht mit jedem Lied.
Mein Briefwechsel mit den Kerlen ist wohl durch den Stellungswechsel etwas in Wanken gekommen. Ich hoffe aber, dass ich ihn bald wieder in die alte Bahn gelenkt habe. Durch den Briefwechsel war ich immer über die Abende unterrichtet und habe ich mich diesmal sehr über Ihren Bericht gefreut.
Hochwürden! Zu dem letzten Heimabend-Thema „Unsere Stellung zum Mädchen“ noch ein paar Zeilen. Ich weiß jetzt auch, dass dies Thema nie zu früh ist. Wie groß die Gefahr ist, kann man sich gar nicht vorstellen Wie heute die Vorstellung über den Wert des Mädchens ist, ist unglaublich. Für die meisten ist das Mädchen ein Spielzeug. Die Schuld trägt nun Junge und Mädchen. Ich weiß nun nicht, ob das nun nur hier in Norddeutschland so ist. Hoffen wir es!! Hier trifft man Mädchen zu genüge, die ihre Ehre mit Füßen treten und sich ganz zum Spielzeug der Jungen machen.
Wenn da ein Kerl allein in solch einen Kreis kommt, ist er bestimmt verloren. Ich glaube den Brief von Werner kenne ich, wenn es nicht ein Brief aus den letzten Tagen ist. Dann bitte ich um eine Abschrift.
Am 24.5/25.5. bin ich auch dabei. Wenn ich auch nicht in Bickendorf bin, so stehe ich doch hier draußen auch meine Zeit. Das Bild Maria’s trage ich immer bei mir.
Da fällt mir noch ein ein, was ich Ihnen noch schreiben möchte. Unsere Vorgänger sind ja hier leider durch einen Volltreffer in’s Geschützt ums Leben gekommen. Bei den Aufräumarbeiten fanden wir nun 2 Medaillen. Ich dachte schon, jetzt sind diese ja in die richtigen Finger geraten. Es stellte sich aber heraus, dass die Ostmärker selber alle an der Erkennungsmarke eine Medaille trugen. Das hatte ich von den Kerlen doch nicht gedacht.
Für heute Schluß.Heil!
Rudi