Kaplan Stiesch an Jochen Soddemann, 26. Mai 1941

Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1    

26. Mai 1941

Lieber Jochen!

Deine ersten Ausführungen sind mir nicht so ganz klar geworden. Bist Du schon so ein kleiner Vorgesetzter? Bildest Du mit aus? So hört es sich an. Jedenfalls scheinen Deine Kameraden doch einer geistig höheren Schicht großen Teiles anzugehören. ich stelle mir das jedenfalls interessant vor, zumal die Kameradschaft mit einem evangelischen Theologen. Ich glaube, daß wir da manches lernen können, namentlich das pneumatische johanneische Denken. Man spürte das so wohltuend etwa in der protestantischen Antwort auf den Mytus von Walter Künneth, die bedeutend grundsätzlicher war, als unsere „Studien“.

Ich glaube, daß Du die Holländer wohl gerecht beurteilst. Ich hatte zwar immer noch eine etwas idealer gefärbte Vorstellung durch eine Freundschaft mit einer Familie aus s Hertogenbosch, der ich seit 1925 in enger Freundschaft verbunden bin. Aber Du hast recht. Diese langen Jahre ohne Entbehrung haben das Volk zu bequem gemacht. Es bedarf einer geistigen Weckung. Hoffentlich kommt es in der Not dieses Krieges zu neuer Erkenntnis.

Josef Kann hielt vorige Woche einen Abend über Pankratius, der ausgezeichnet war. Er hat schon eine Geistige Befähigung da etwas zu sagen. Ich lege Dir eine Einladung von unserem L[]chtag bei. Die Zeichnungen von Ernst Jakobs sind gut, nicht wahr. Etwa 30 Jungen waren zur Stelle. Leider haben wir keine Nach[t]wachen gehalten. Die Alarme sind dem zu ungünstig. Und man kann vorher nie wissen was kommt.

Herzlichen Pfingstgruß und des hl Geistes Gnadenfülle!