Rudolf Stiesch an Wilhelm Schenk, 27. Mai 1941
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
27. Mai 1941
Lieber Wilhelm!
Dir herzlichen Grusz in die neue Umgebung und herzlichen Glückwunsch zum Namenstag. Einiges habe ich von Deiner Mutter schon erzählen hören. Es wird ja oft ein entsagungsvoller harter Dienst sein, den Ihr da habt. Aber es mag auch seine schönen Seiten haben. Mit so verschiedenartigen Menschen wärst Du sonst kaum in solch enge Beziehung gekommen, wie sie nun durch die Kameradschaft gegeben ist. Hier läuft alles seine geordnete Bahn. Nur die heftigen Fliegerangriffe der letzten Zeit, von denen ja auch das OKW schrieb, sind nicht im Programm vorgesehen und erwünscht.
Mein Vetter Hans Friesenhahn ist als Kaplan nach Werden St Ludger versetzt. Als ich ihn dieser Tage besuchte, sah ich die Zerstörungen an der Strecke zwischen Deutz und Mühlheim. Einige Stahlwerke und Lokomotivschuppen sind ganz zerstört. Ein trauriger Anblick.
Dadurch, dasz wir hier keinen Küster haben, sind dessen Aufgaben auf die Meszdiener, Frl Luise bei Kann, und auf uns selbst verteilt. Man entwickelt sich langsam aber sicher zum Sakristanpriester. Solche Geschöpfe gab es ja einige von Amtswegen in unserer Diözese. So den Dr Poth in Duisburg Hüttenheim. Er hatte in Wien den Dr der Musik gemacht. Ich vergesse nie, wie im Albertinum in Bonn irgend eine Feier war und Dr Poth sollte spielen. Alles erwartete ein Stück virtuosen Charakters, wie man ihn in der Freizeit gewohnt war. Und da spielte er irgend so ein prähistorisches Stück aus der vorbachschen Zeit. Mochte ja für Kenner ein Leckerbissen sein. Aber die grosze Menge war enttäuscht.
Herzllichen Grusz