Kaplan Stiesch an Ludwig Kreuser, 29. Mai 1941

Rudolf Stiesch   Kaplan   Köln Bickendorf   Schlehdowrnweg 1

29.5.41

Lieber Herr Kreuser!

Ihre Karte aus dem Dorf in Ostpr habe ich dankend erhalten. Das Quartier sieht auf dem Bild ja recht freundlich aus. Und die Leute sind es diesmal auch. Da kann man ja gratulieren. Gestern waren wir bei Pfarrer Schreiber von Rochus zum Namenstags (Wilhelm) gratulieren. Dort trafen wir noch Kaplan Freudenberg, der so gut Klavier spielen kann und schon mal bei Ihnen zu Hause zu Gast war. Ich könnte mich da auch tot und lebendig hören, wenn einer so gut spielen kann. Ich vergesse nie mehr zB wie ich einmal das Konzert c moll Nr 3 für Klavier und Orchester von Beethoven gehört habe. Da ist alles schön und ausgeglichen. Die perlenden Läufe und die sanglichen Themen und der weihevolle langsame Satz. Das spielte damals Elly Ney in Düsseldorf. Sie werden Sie vielleicht auch schon haben spielen hören.

Die letzten Fliegerangriffe hier waren recht heftig. Die Stellwerke und Lokomotivschuppen zwischen Deutz und Mülheim sind zerstört. Kaffee Bauer auf der Hohestrasze, das Geschäft Globus, die Ludendorffbuchhandlung usw. Gestern soll die Stephanskirche in Lindenthal ziemlich stark zertrümmert worden sein.

Die Eingriffe in kirchlichen Bereich scheinen auch weiter zu gehen. So wurden die Kindergärten hier der NSV unterstellt unsere Schwestern sollen unter ihrer Leitung weiterarbeiten. Dasz die Jesuiten hier Haus räumen muszten und das Priesterseminar auch, wissen sie sicher schon.

Im übrigen wundere ich mich nur, wie die Zeit wie im Fluge

vergeht. Grade die schönen Sonnentage enteilen am schnellsten. Anbei ein Heftchen, was Sie vielleicht einmal gelegentlich interessiert. Manches ist schön formuliert so S 87 über die Tapferkeit.

Aus dem Umschlag Ihres letzten Briefes, ein Umschlag des Joseph an Sie, sehe ich, dasz Sie untereinander auch in reger Beziehung stehen. Was musz das ein ausgebreiter Schriftwechsel sein in einer solch groszen Familie! Ich glaube, wenn wir mehr solch vorbildliche Familien hätten, dann wäre das Ende des Krieges schon längst durch die Überzahl entschieden.

Nun wünsche ich Ihnen nochmals alles Gute und die 7 fache Gnadengabe des Pfingstgeistes

Ihr