Kaplan Stiesch an Ludwig Kreuser, 20. Juni 1941

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

20. Juni 41

Lieber Herr Kreuser!

Schade, dasz Sie am Dreifaltigkeitssonntag nicht hier sein konnten. Das war doch mal wieder etwas erfreuliches. Der Bekenntnissonntag der kathol. Jugend. Die Feier war bei uns hier in Dreikönigen für die westliche Hälfte des Dekanates und in Hohenlind für die andre Hälfte. Einer der ersten strahlend schönen Sonnentage. Und dann eine ganz ungetrübt harmonische Feier bei der etwa 700 – 800 Jungen und Mädchen und Jugend der Mannschaft teilnahmen. Alles war gut geprobt, dreimal und klappte daher auch so überzeugend. Der Pfarrer Clemens von Riehl predigte. Früher war er Diözesanpräses von Köln. Vielleicht erinnern Sie sich noch. Die Kirche war so gefüllt und alle sangen so gut mit, das risz einen ordentlich mit.

Inzwischen ist das Pfarrhaus von Clemens auch getroffen. Ihm ist nichts passiert. Er muszte aber das Haus verlassen, weil es einstürzen kann. Auch der Hauptbahnhof hat einige schwere Treffer bekommen in den linken Flügel hinein, wo die Gepäckausgabe war.

Mit meinen kleinen Neffen war ich Pfingsten im Zoo. Die konnten gar nicht vom Affenfelsen weg. Und die Zuschauer gaben ihre lustigen Bemerkungen dazu. Ein Pfau schlug grade ein Rad. Da sagten zwei kölsche Soldaten. Wir müsse fott jonn, dä is am explodiere.

Alles ist in schönster Blüte. Man wünscht sich nur den Frieden. Übrigens noch so eine Bemerkung über die wir so gelacht haben. Gestern war ich mit einem Freund in Königswinter. Mein Freund fragte eine Frau, ob die Drachenfelsbahn verkehrte. Da sagt zu ihm so ein ganz kleiner Dotz, höchstens zwei Jahre alt: „Du blecken Aap“. Wir muszten doch so lachen. Mein Freund sagte nur ganz trocken zu dem Jungen, dat jibt es doch gar nicht.

Hoffentlich haben Sie die trüben Stunden Ihres letzten Briefes überwunden. Vorstellen kann man sich das, das man manchmal alles leid wird.

Hier an der Kirche wird alles gestrichen und repariert. Wenn sie die Heimat wiedersehen, wird sie hier sogar ein freundlicheres Bild zeigen als früher. Manches hat ja arg gelitten. Auch am Deichmannshaus waren fast alle Scheiben und Fenster zertrümmert. Der Dom hat nur einige unbedeutende Spritzer mitbekommen. Hoffentlich bleibt er uns erhalten. Das eine mag einen mit den Zerstörungen versöhnen. Man sieht wie fragwürdig alle äuszere Kultur ist. Man ist ja immer wieder in Gefahr in reiner Zweckmäszigkeit und Diessseitigkeit zu versinken.

Nun musz ich schliezen. Gleich ist wieder Seelsorgstunde für die Kinder.

Immer herzlich der Ihre