Kaplan Stiesch an Jochen Soddemann, 14. Juli 1941

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1  

14. Juli 1941

Lieber Jochen!

Herzlichen Dank für Deine Zeilen, die mich erst jetzt erreichen. Ich hatte 14 Tage Urlaub und war mit meiner Mutter in Paderborn. Dort ein bedeutender langgestreckter Dom, der recht in die Ebene paßt mit vielem interessanten Inventar. merkwürdig der barocke Schmuck in dem spätgotischen Bau. Aber besser als die nichtssagenden Stücke in schlecht restaurierten Kirchen. Dort lernte ich einen Kradschützen aus Halle kennen der seine grausigen Erlebnisse aus Polen und Frankreich erzählte. Wie ihn das Schießen erst eine seelische Überwindung kostete und er sich nach und nach daran gewöhnte u. ä. Und jetzt kommt er nach Afrika oder Rußland. Seit 1937 ist er ununterbrochen dabei.

Was die Frage nach der Exkommunikation angeht, so meint ja manchmal, es sei das richtige. Dann darf aber nachher, wenn die Sache so weit ist, nicht doch wieder ein Rückzieher gemacht werden, so wie es bei uns gewesen ist. Das war für viele ein psychologisch unlösbares Rätsel. Aber vielleicht muß es so sein, das der tatsächliche Besitz der Macht auch von der Kirche eine gewisse Anerkennung findet. – Das wünschte ich Euch auch, daß Ihr da eine wahlverwandte Familie findet. Das ist wohl das Schönste und Heimatlichste, was einem draussen in der Ferne geschenkt werden kann.

Wir waren auf dem Rückweg von Paderborn auch noch kurze Zeit in Menden bei einer Familie, die „erb- und rassenhygienisch“ (Dr Mund) in Ordnung war. Da fühlt man sich gleich heimisch.

Der westfälische Katholizismus hat ja etwas verwandtes mit der holländischen, beide das sture niederdeutsche im Gegensatz zu dem leichter beweglichen, fränkischen in Köln. Es wird wohl beides

sein Lebensrecht und seine Notwendigkeit haben.

Rembrandt als Erzieher geht gleichzeitig ab. Ich hoffe, daß Dir das Buch auch ein so großes Erlebnis ist, wie es mir gewesen ist. Falls Du das noch nicht weißt. Die Gruppe hatte letzte Woche zwei schwere Verluste. Willi Stupp ist in Rußland gefallen und Hans Boyen bekam einen Herzschlag beim Schwimmen in Boppard und ist ertrunken. Wir neigen uns in Ehrfurcht vor diesen Frühvollendeten, die ihr Wort durch die Tat bewährt haben. Ich hoffe eine Anzahl von Totenbildchen zu bekommen, die wir dann an Euch schicken können. R.i.p. Otto Mundorf ist nun auch zum RAD eingezogen. Sein Nachfolger als Pfarrhelfer ist Hans Werres.

   Nun sei herzlich gegrüßt!