Kaplan Stiesch an Otto Mundorf, 15. Juli 1941
15. Juli 1941
Lieber Heinz Otto!
Du gehörst zu den Menschen, deren Namenstag ich nie behalte. Aber zur Hälfte hast du heute sicher Namenstag und so empfange meinen herzlichen Glückwünsch. Karl Heinz Hodes, dem ich vorhin gratulierte, erklärte, er feiere Karl Borromäus.
Die vielen Neuigkeiten habe ich vom Pfarrer schon in Paderborn erfahren. Er hat mich vorigen Mittwoch besucht, und ich habe ihn durch Paderborn geführt. Gewisz stehen wir erschüttert still wenn wir von Willi Stupp hören. Aber wir sind auch stolz, zu wissen, dasz er verstand vorzuleben und vorzusterben. Jetzt wo er vollendet ist, wissen wir, dasz seine Worte Fleisch und Blut waren. Samstag morgen ½ 9 oder 10 Uhr sind die feierlichen Exequien. Er ist am 25. Juni bei Suras südwestlich Bialystock gefallen. Schade dasz so wenige Jungen nur hier sind. Und auch die können nicht alle kommen.
Und Hans Boyen ist uns auch entrissen. Er bekam in Boppard beim Schwimmen einen Herzschlag und ist ertrunken. Man hat ihn noch nicht gefunden. Grade die besten werden und zuerst genommen. Requiescant in pace.
Mit Hans Werres werde ich mich gut verstehen, zumal wir die gleiche Länge haben. Und ich glaube, dasz er auch das geistige Rüstzeug hat. Im übrigen musz man warten. Heben wir ihn in den Sattel, reiten wird er schon können, würde Bismarck sagen.
Hubert N habe ich gestern flüchtig gesehen, aber noch nicht gesprochen.
Bei Coesfeld ist ja auch die Benediktinerabtei Gerleve. Ein neues Kloster. Ich meine das Gerücht zu haben, es sei kürz-
lich aufgehoben worden. Ich weisz es aber nicht sicher. Wenn es noch bestehen sollte, wäre ein Besuch zu empfehlen. Es hat den gleichen Geist wie Maria Laach.
Wie mag es in Münster aussehen? 1938 war ich noch mit meiner Mutter dort zu Besuch. Meine Mutter ist nämlich hier geboren. Hoffentlich sinkt nicht das ganze kulturelle Erbe in Asche zusammen.
In Paderborn lernte ich zum ersten Mal einen Sachsen aus Halle kennen. Kradschütze, der Polen und Frankreich erlebt hat. Er erzählte recht unheimliche Sachen, so zB wie sie durch eine polnische Greisin beschossen wurden, der 13 deutsche Soldaten zum Opfer fielen. Ein Temperament hatte er wie ein waschechter Kölner. Köln kannte er nur insofern, dasz er hier mal eine geschlagene Woche Karneval gefeiert hat.
Und dann war ich noch wenige Tage in Menden und erlebte die Atmosphäre einer überzeugt katholischen Familie mit 4 Kindern. 2 grosze Jungen so wie die besten von uns. Das waren schöne Tage.
Und hier in Köln tüchtige Fliegerschäden. Cordes am Neumarkt innen ein Trümmerhaufen und die Vorderfront dem Einsturz nahe usw. Maria Himmelfahrt ohne Dach, Generalvikariat ebenso das obere Stockwerk ausgebrannt. Vom Jugenseelsorgsamt ist also nichts mehr da. Nun musz es auch ohne Amt gehen und es wird gehen.
Sei herzlich gegrüszt