Werner Niederwipper an Kaplan Stiesch, 18. Juli 1941

17866 B am 18. Juli 1941

Heil und Gruß!

Nun wird es langsam Zeit, daß ich noch mal an Sie, Herr Kaplan, einen Gruß loslasse. Mangels Tinte muß ich mit Stift schreiben. Mir geht es noch nach wie vor gut. Die großen Geschehnisse im Osten werfen ihre Schatten bis hier hinüber zum fernen Westen. Alles lebt sich allmählich in eine Spannung hinein: „Was geschieht jetzt?“ Wann ist es im Osten vorbei und wann kommen wir an die Reihe? Wann geschieht der letzte große Schlag gegen den englischen Erzfeind? Daß die dauernde Einförmigkeit unseres Wachdienstes dabei besonders drückend empfunden wird ist wohl klar. Obwohl das Leben, das wir augenblicklich hier führen durchaus nicht schlecht zu nennen ist. Dauernd das Rauschen des Meeres im Ohr und die herrliche Weite vor Augen, die glitzernde Fläche, die nie stumpf oder tot wirkt, sondern stets das Auge neu fesselt durch

die Lichtspiele und Farbenwirkungen. Es ist schön, den Sommer hier zu verbringen. Die Sonne lässt uns nicht im Stich. Ich bin braun gebrannt wie ein Hottentott, und gleich mir alle Kameraden. Nur eben sehr eintönig ist es. Die einzige Abwechslung sind die Angriffe englischer Flieger, die nicht immer ganz glimpflich verlaufen, für beide Teile. Immer werden Tommies abgeschossen, und wir haben auch schon eine ganze Reihe Verluste.

Tieferschüttert hörte ich gestern vom Tode Willi Stupps. Ich kann es noch gar nicht fassen. Er war ein so feiner, tapferer Kerl. Er war einer, der es todernst mit seiner Aufgabe nahm und konsequent auf sein Ziel losging. Tapfer nahm er es mit Allem auf, was sich ihm in den Weg stellte, körperlich schwach, aber von einer Stärke der Seele, die jeden ihn bewundern ließ der ihn kannte. Ich schulde ihm großen Dank. Einmal, als ich wegen dauernder Misserfolge und Quertreibereien bei der Arbeit in der jungen Kirche unserer Pfarre mutlos wurde und die Flinte ins Korn warf, als ich alles laufen lassen

wollte, wie es begehrte, hat er mich durch sein einfaches Zupacken und durch sein schlichtes Beispiel wieder dazugebracht, weiter mitzumachen. Daraufhin baute ich die Gruppe, der Otto und Peter Haas, Heini Mundorf, Rudi Conin, u. a. m. entstammen. Der Erfolg geht also im Grunde auf sein Konto. Eine frohe Gewissheit dürfen wir aus seinem Tode entnehmen: Daß wir einen eifrigen Fürsprecher an Gottes Thron haben für unsere Sache.

Die Berichter über die einzelnen Heimabende haben mich sehr gefreut. Vielleicht kann ich demnächst, wenn ich ein bisschen mehr Ruhe habe, auch wieder etwas beitragen.

Und nun einen recht frohen Soldatengruß: Trotzdem!

Werner