Kaplan Stiesch an Jochen Soddemann, 10. August 1941
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
10. August 1941
Lieber Jochen
Inzwischen wird das Päckchen ja wohl angekommen sein und ich hoffe daß die Lektüre dieses Buches Dir viel neue Erkenntnisse und dadurch geistigen Genuß bietet. Für Willi Stupp haben wir noch keine Stunde im Heim gehalten. Es sind zu viele der Jungen unterwegs. Im besten Falle ist ein gutes Dutzend überhaupt nur hier in Bickendorf. Und dafür ist mir das Thema zu schade. Es verlangt denn auch einen großen Kreis, wenn einigermaßen alle erreichbar sind. Heute morgen für die Gemeinschaftskommunion habe ich vorsichtigerweise nur eine Bank reserviert und die war noch nicht gefüllt. Karl Egon Klein Josef Kann und Hans Werres sind zusammen in Warrndorf und finden dort in der Landwirtschaft den Weg zu Blut und Boden zurück. Wie ich höre kommt Hans Werres diese Woche nach Hause.
Der Schrieb des Marinepfarrers würde mich interessieren. Ich kenne ihn noch nciht. Schicke ihn bitte bei Gelegenheit mir mal zu;
Josef und Karl Egon wollen wohl nach Kräften mitarbeiten aber sie sind vorläufig nicht zu bewegen wieder eine Gruppe zu übernehmen. Die Anschrift von Heinz Otto Mundorf lautet: An H Mundorf RAD Abt Coesfeld i W Trupp 2.
Die letzten Sonntage war nachts vorher kein Alarm. Eine ordentliche Wohltat. Man sollte eine Treuga Dei einrichten, das Samstags und Sonntags die Waffen ruhen. Leider klappt das ja noch nicht einmal Weihnachten vollständig. Bei meinem letzten Besuch in Bonn habe ich noch einmal unter Führung genau den Bonner Friedhof besucht. Es lohnt sich doch an den Stätten zu stehen, an denen eine solche Zahl bedeutender Menschen ruht. Mein Wunsch ist es immer mal nach Wien zu kommen und dort den Zentralfriedhof aufzusuchen und auch natürlich die Gräber in Flandern und bei Verdun und wo in diesem Krieg Herzblut vergossen worden ist.
Hier habe ich einen jungen Mann dh immerhin ist er 35 Jahre alt, kennengelernt aus Trier, der hier bei uns in der Pfarre wohnt und als Junggeselle sich natürlich ziemlich heimatlos und verlassen vorkommt. Ähnlich ging es einem ja wenn man allein draussen studiert und wenig Landsleute um sich hat. Er war mehrmals hier und erzählte mir von seiner Welt. Er lebt und stirbt für den Kirchenchor seiner Heimatpfarre in Trier. Er hat auch ein Pfarrbewusstsein und eine bestimmte Glaubensform, die aber zu der Welt der Jungen heute wenig Wege findet. Oder muß die Welt unserer Jungen vielleicht dorthin Brücken schlagen. ich glaube die Welt des strengen Chorals und der Polyphonie Palästrinas und anderer dürfte uns doch nicht in dem Masse verschlossen bleiben, wie sie es tatsächlich für die meisten Jungen unserer Zeit ist. Bin mal gespannt wie sich da die Wege bahnen. Ähnlich ist es ja, daß die meisten Jungen vom Liedgut dieser Zeit fast keine Brücke mehr finden zur großen klassischen Zeit in der Musik.
Nun Dir alles Gute! Sauge nur viel vom besten Geist Rembrandts und der echten Niederländer in dich. Auch da gibt es bestimmt Werte, die wir Moffen nicht haben.
Herzlichst