Kaplan Stiesch an Rudi Conin, 14. August 1941

Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1

14. August 1941

Lieber Rudi!

Manchmal hat man so Zeiten, wo man zu nichts aufgelegt ist, mir geht es auch so. Und manchmal da wundert man sich über sich selbst, was man alles an einem Tage leisten kann, wenn es sein musz. Und was ist inzwischen alles passiert. Der Krieg mit Ruszland ist in vollem Gang. Dasz Willi sein Leben einsetzen muszte, weiszt Du. Und Hans Boyen bekam einen Herzschlag, als er in Boppard im Rhein am Schwimmen war. In Andernach ist er beerdigt worden. Hans Werres, der mit der Familie Boyen näher bekannt ist, war dabei. R.i.p.

Mit einer ganzen Schar von Meszdienern war ich am ersten Ferientag im Königsforst. Dort konnten sie ungestört toben und spielen und waren wohl ziemlich begeistert; an den nächsten Tagen zogen kleinere Grüppchen auf eigne Faust aus und tummelten sich an den Stellen, wo wir vorher zusammen gewesen waren.

Dann war ich mit meiner Mutter zwei Wochen in Paderborn und Menden iW in Urlaub. Du kennst ja Paderborn. Man kann es dort schon eine Zeit aushalten. Und in Menden sind meine Vorfahren zum guten Teil zu Hause. Es ist ein eigenes Gefühl auf den Straszen zu wandern, die die Ururgroszväter vor vielen Jahren gegangen sind. Und in einem Stammhaus waren wir, in dem jetzt andere Menschen wohnen, und wir haben da nichts mehr zu sagen. Das ist der Lauf der Welt. Hier ist es augenblicklich etwas verlassen. Die Mehrzahl der Jungen ist in Ferien oder sonst wie noch unterwegs, so dasz man kaum etwas Lohnendes unternehmen kann. Eben war der Vater von Willi Stupp da und war froh, mal sich über seinen Sohn aussprechen zu können, zu erzählen und zu hören. Willi musz ja sehr still und bescheiden gewe-

sen. Der Vater hatte nicht gewuszt zB, dasz Willi Pfarrjugendhelfer gewesen ist, bis er es beim Pfarrer erfuhr, als er die Exequien bestellte. Und er hatte in seinem letzten Brief an seine Eltern geschrieben, sie sollten sich nicht aufregen, wenn bei einem Fliegerangriff sie ihre Wohnung verlieren sollten. „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“. Erst hatte die Mutter das als dummes Zeug angesehen aber später dachte sie doch anders darüber.

Es soll wohl noch ein Gedenkblatt an Willi gedruckt werden. Kaplan Milde scheint es aufzusetzen. Wenn es da ist, schicke ich Euch alllen draussen ein Exemplar zu.

Einen schönen Brief habe ich aus Ruszland bekommen von Eugen Lingohr L 43029 LZ. Pa Königsberg. Persönlich kenne ich ihn noch nicht. Die Mutter habe ich am Hainbuchenweg kennen gelernt. Er war bisher in Paris und hat von dort aus schon geschrieben. Er hat wohl mehr in Anna mitgetan, weil er dort unter seinen Mitschülern besser bekannt war. Kennst Du ihn? Vielleicht kann er dann ja auch noch in Euren Ring hinein.

Was Hans Werres als Pfarrhelfer angeht, so möchte ich auf ihn ein Wort von Bismarck anwenden „Setzen wir ihn in den Sattel, reiten wird er schon können“. Ich glaube, alles wird sich schon machen. Übrigens werde ich in diesen Tagen die Verdunklung im Heim erneuern müssen. Jetzt werden die Abende schon fühlbar wieder kürzer. Und Hubert ist ja auch noch jünger. Er kommt noch später früh genug an die Reihe. Josef Kreuser kommt in diesen Tagen vom RAD nach Hause und wird wohl bald auch den feldgrauen Rock tragen. Der Vater Kreuser hat viele Sorgen um seine 7 Söhne, die dann alle ohne Ausnahme Soldat sind. Auf der Orgel macht der Josef noch tüchtige Fortschritte. Der Hans Kreuser übrigens spielte ausgezeichnet. Hast Du den früher noch gekannt. Er ist jetzt in Afrika, auch der Kaplan Küppers vom Akazienweg, der Willi Küppers.

Leider gehen die Beschlagnahmungen der Klöster etc immer weiter. Auch das Priesterseminar soll enteignet sein.