Kaplan Stiesch an Eugen Lingohr, 14. August 1941

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf Schlehdornweg 1

14. August 1941

Lieber Herr Lingohr!

Für Ihren Brief mitten aus dem Kampfgetümmel doppelt herzlichen Dank. Ja es hat sich allerhand zugetragen in der letzten Zeit. Die Stadt Köln hat ja auch ziemlich gelitten unter den letzten groszen Nachtangriffen der Engländer. Mancher groszer Bau ist dabei zerstört worden und manche bedeutende Sachen und auch Kirchen sind vernichtet oder beschädigt. So ist ein Treffer in die Kuppel von Gereon gekommen, Maria Himmelfahrt, St Stephan in Lindenthal und das Kalker Kapellchen sind ganz zerstört. Auch der Gürzenich hat ordentlich gelitten usw. Aber alles das wird doch wohl noch gering sein verglichen mit der Wirkung unserer Artillerie dort in Ruszland und anderswo. Hoffentlich bleibt noch einiges von den Kulturschätzen der vom Krieg betroffenen Länder erhalten. Immerhin sind die Menschenleben ja noch unersetzlicher und kostbarer und daher hoffe ich dasz bald uns ein glückliches Ende geschenkt werde.

Vom Bolschewismus habe ich auch eine grausige Vorstellung namentlich durch die Tagebücher der Alja Rachmanowa „Studenten Lieb Tscheka Tod“ und „Ehen im roten Sturm“. Diese machen ja einen sehr wahrhaften und erlebten Eindruck und wenn Sie wieder zu Hause sind, werden Sie sicher diese Bände mit groszem Interesse lesen. In Düsseldorf habe ich die Schriftstellerin einmal vorlesen hören auf einem Leseabend. Das waren noch ruhige Zeiten 1936.

Und dann die Bücher von Dwinger, der den Kampf zwischen Weisz und Rot schildert im Zusammenhang des Weltkrieges.

Aber jetzt gilt für Sie das Gesetz des Handelns und nicht das des Studiums und ruhiger Lektüre.

Aber Ihre Gedanken werden oft heimwärts gehen. Ich lege Ihnen eine Karte von Dreikönigen bei und hoffe, dasz Sie Ihnen liebe Erinnerungen gibt. Hoffentlich kommen Sie gesund nach Hause und finden dann die schöne Kirche unbeschädigt vor.

Wer weisz, wie noch alles zu unserm Besten gelenkt wird, auch wenn wir die Fügungen nicht verstehen. Vielleicht haben Sie noch nicht gehört, dasz einige treue Jungmänner von Dreikönigen ihr Leben dahingegeben haben: Willi Stupp von den Birnen, der hier Pfarrjugendhelfer war und auch Joseph Füske, den ich noch nicht näher gekannt habe.

Hans Boyen vom Sandweg hat im Rhein einen Herzschlag bekommen. Er muszte in Andernach beerdigt werden. So haben wir manche schmerzliche Lücke. Sie alle sollen in Frieden ruhen.

Kürzlich war ich mit meiner Mutter in Paderborn. Dort lernte ich einen Kradschützen kennen der uns viele Erlebnisse aus Polen und Frankreich erzählt hat; man begreift gar nicht wie ein Mensch sovieles körperlich und auch seelisch aushalten kann. Und doch konnte er wieder munter sein und scherzen. So werden Sie hoffentlich auch alles gut überstehen. Ich würde mich übrigens sehr freuen, wenn Sie bei Ihrem nächsten Urlaub einmal hereinkommen, damit wir uns mal näher kennenlernen können, als das bisher möglich war. Ihre Grüsze an Pfarrer Vonessen richte ich aus. Ich lasse ihn den Brief lesen, dann hat er auch einen Eindruck.

Nun Ihnen alles Gute und das Versprechen, dasz unsere Gebete Sie alle da drauszen begleiten.

Ihr