Kaplan Stiesch an Willi Winterscheidt, 19. September 1941
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
19. September 1941
Lieber Willi!
Dir ins Feld alles Gute! Deinen Brief habe ich groszenteils mehrmals in verschiedenen Gruppen auch bei Meszdienern vorgelesen und ich hoffe, dasz Dir die Meszdiener Dir schon geschrieben haben. Mehrer haben sich Deine Feldpostnummer aufgeschrieben. Es ist sehr schön, dasz Du so an Deiner Mutter hängst. Kommenden Sonntag werde ich wahrscheinlich nach Sülz fahren und sie besuchen können. Ganz sicheres kann man jetzt leider nie versprechen, weil einem der Alarm und der Nachmittagsgottesdienst immer einen Strich durch die Rechnung machen können.
Die Meszdiener hängen ja ordentlich an Dir, vor allem die Oberstufe: Saure Christ Ambacher Brinkmann Schmidt Dellgrün Schlling. Die andern dieser Gruppe sind in Erholung auf Usedom etc. Vor kurzem waren wir in Maria in der Kupfergasse wo eine Feierstunde für alle Meszdiener von Köln stattfand. Von Dreikönigen waren 33 Jungen mit, eine ganz stattliche Gruppe. Nachher wurde ein Film gezeigt: der Dom von Ellwangen. Unbezahlbar waren die Zwischenbemerkungen der Jungen. Als da zB ein Pater mit geschnürten Sandalen über die Leinwand ging, sagte der Wolfram Brinkmann ganz trocken „Bezugsschein 2“.
Dasz unsere Pfarre manch guten Kameraden verloren hat, wirst Du wissen: unter diesen auch Hubert Kreuser, den ältesten der vielen Kreusersöhne, dann ein Klaus Wingender von Unter Kirschen, Hans Rom von unter Birnen, Joseph Füske u.a. Vielleicht kennst Du auch den Heinz Ziemann, der bei der Marine war. Auch er hat sein Leben einsetzen müssen.
Am 31 August hatten wir hier Primiz von Pater Breuning.
Es war ein sehr schöner Tag bei strahlendem Sonnenschein. Karl Heinz Hodes an der Orgel. Das war schön, vor allem nachmittags während der Pater den Primizsegen erteilte. Euch allen ist er auch gespendet. Für Willi Stupp haben wir eine Gedenkfeier in der Pfarre gehalten und gestern eine für das Dekanat in Rochus. Werner Niederwipper war in Urlaub und daher muszte die Sache schon fein werden, zwei Schalen mit mächtigem Feuer gaben Licht und 4 grosze Leuchter aus der Kirche. Die Eltern von Willi und seine Schwester waren auch dabei. Und dann ein groszer Kreis und darunter mehrere im Soldatenrock. Kaplan Fröhlich war auch mit und sagte nachher, es habe ihm ordentlich gut getan, mal wieder so einen kräftigen Jungengesang zu hören. Ich lege Dir einmal ein Progamm des Abends zu. Auf der Rückseite stehen einige Liedertexte. Vielleicht findest Du mal eine ruhige Viertelstunde, in der Du die Lieder vor Dich hersummen kannst. Augenblicklich haben wir längere Zeit keinen Alarm mehr gehabt. Man lebt da ordentlich auf. Hoffentlich werden uns noch mal ruhige und normale Zeiten geschenkt, in denen manches wachsen kann, was jetzt unter der Ungunst der Verhältnisse verkümmert.
Nun recht herzlichen Grusz und Heil