Kaplan Stiesch an Fritz Kreuser, 18. Oktober 1941
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
18. Okt. 41
Lieber Fritz!
Dieser Tage erfuhr ich endlich von Hans Werres Deine Feldpostnummer und daher benutze ich gleich die Gelegenheit, Dir einen Grusz zuzusenden. Ich hatte schon öfter danach gefragt, aber zu Hause wuszten sie die Nummer ja länger auch noch nicht. Dir noch mein herzliches Beileid zum Verlust Huberts. Einmal ist er bei mir gewesen und ich werde stets mit Ehrfurcht und Dankbarkeit an ihn und an sein Opfer denken. Als Du den letzten Brief aus Rheine schriebst, hatte er sein Leben schon vollendet, aber wir wuszten es noch nicht. Ich wünschte nur, etwas vom Ludwig zu hören. Er hat von allen mir die meisten Briefe geschrieben und nun hören wir schon so lange nichts mehr von ihm.
Inzwischen haben wir die Primiz von Pater Breuning erlebt, noch mal einen ganz vollendet schönen Tag im Leben der Pfarre. Möge uns das noch häufiger beschieden sein! Bequem wird das Leben des Priesters ja wohl sicher nicht sein in der Zukunft. Gott gebe uns die Kraft, dasz wir unseren Weg gerne und froh gehen, wohin er auch führen mag. Er mag etwas Ähnlichkeit haben mit der Ungewiszheit des soldatischen Weges.
Hier geht alles einen Gang. Die Jungen hatten in Rochus eine schöne Gedenkstunde für die Gefallenen, und für Willi Stupp insbesondere. Die Eltern von ihm waren auch da. Dann war der Raum durch zwei mächtige Spiritusschalen erleuchtet und 4 Kerzenleuchter. Es war schon eine sehr erhabene Stimmung. Werner Niederwipper erzählte aus seinem Kriegeserlebnis und sorgte für einen feinen Jungengesang.
Otto Mundorf war für kurze Zeit vom RAD zurück und ist jetzt beim Militär. Dann waren die Exequien für Kaplan Hollmann
in Rochus. 6 Soldaten im Stahlhelm umstanden die Tumba. Das war ein sehr ergreifendes Bild. Kaplan Hollmann ist als Sanitäter im Osten gefallen.
Jetzt ist wieder mehr Alarm, nachdem wir 4 Wochen Ruhe gehabt haben. Man musz alles durchhalten. Da nützt kein Klagen.
Hast Du von dem Film gehört: Ich klage an.? Mit Jochen Soddemann war ich dieser Tage drin. In dem Film wird die Euthanasie propagiert d h die Sterbehilfe, nach der es erlaubt sein soll, Menschen, die hoffnungslos krank sind, zu töten, um ihnen die Qualen des langsamen Todes zu ersparen. Ich habe am vorigen Sonntag versucht, in der Predigt auf diese Probleme eine Antwort unseres Glaubens zu geben. Die Fragen sind nicht sehr einfach. Vor allem, wenn man religionslos ist, erscheint einem die Euthanasie als gerechtfertigt. Aber es auch gute Gründe dagegen, vor allem den, dasz jedes Vertrauen zwischen Patient und Arzt zerstört wird, wenn der Patient nicht weisz, ob der Arzt nun sein Heilender oder sein Jäger und Scharfrichter sein wird.
Aber vermutlich werdet Ihr an der Front auch ähnliche Probleme erleben.
Nun wünsche ich Dir alles Gute und vor allem ein gutes Ende des Krieges, dasz wir uns mit ganzen Knochen bald einmal wiedersehen können!
Herzlich Dein