Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 13. November 1941
Am 13. November 1941
Lieber Rudolf!
Von den damaligen Plänen, die wir in den letzten Tagen miteinander schmiedeten, ist endlich schon Manches Wirklichkeit geworden, manches aber auch wieder vergessen.
Wie stehts um: Gelingt es, die ältesten Kerle zu einer wirklichen Mitarbeit zu bewegen? Solange die Abende im Eigentlichen das Anhören von mehr oder weniger schönen Referaten sind, wird nicht mehr viel daraus werden. Was ist aus Eurem Gespräch um den Film „Ich klage an“ geworden?
Rudi Conin hat sicherlich auch einige Pläne für Euch auf Lager gehabt. Ich glaube, die dauernde Verbindung mit den Urlaubern ist für Eure Arbeit recht fruchtbar. –
In den letzten Wochen macht der Dienst mir viel Freude, ich habe eine prächtige Rasselbande bekommen,
lauter Rheinländer von 18-19 Jahren. Wir sind in den wenigen Wochen gute Kameraden geworden. Oft sitze ich am Abend auf irgendeinem Bett und während des Waffenreinigens singen wir mit der Klampfe all unseren alten Lieder. Demnächst will ich ein wenig vorlesen, aus dem Flex (?) oder aus E. Wittek: „Männer“.
Man muß im Dienst schon recht hart sein, damit man die Bande beisammenhält, auch wenn die Kerle wissen, daß man sonst ein guter Kamerad ist, wird bald alles wieder vergessen.
Ich freue mich, wenn ich mit diesen Kerlen Weihnacht feiern darf. So langsam gehe ich schon an die Vorbereitungen. –
Zum Lesen bin ich wenig gekommen. Stecke mehr mitten im Rembrandtbuch. Es fällt mir nicht leicht, mich in diese Welt hineinzudenken, vor allen Dingen spürte ich immer wieder, daß ein Sicheinfühlen in Rembrandts Schaffen und seinen Geist schon zum rechten Verständnis not tut
Andere Dinge, der er aufgreift haben heute noch oft das gleiche Gesicht. Ich dachte besonders an unsern Studentenbetrieb. Wo bleibt da so oft die Glut, an der wir später einmal eine Welt entzünden sollen? Ich glaube, wir haben da ein wenig zu sehen gelernt: Nicht falsches Strohfeuer der Begeisterung suchen wir, wohl aber ein heiliges Durchdrungensein von dem Wort, das vom Katheder gesprochen wird. Ein solches Stehen dazu fand ich eigentlich nur bei Vogels in Bonn, allen anderen schien das Ganze mehr Wissenschaft als Wort des Lebens.
Auch die andere Forderung der Universalität, das geschlossenen Menschenbildes tut unserer Zeit mehr denn je not. Wo findet man denn noch solche Menschen, oft genug habe ich solche Auffassung sogar bei meinen Bonner Kameraden suchen müssen. Mir scheint es gleich, ob jemand auf den Codex iuris
oder auf die Anatomie des menschlichen Körpers sein Leben vereinseitigt.
Leben aus Ganzheit, aufgeschlossen für alles Große, das scheint mir die lebendigste Forderung des Buches, die auch immer wieder neu vor unser Leben gestellt ist. –
Ich freue mich, bald wieder von all Eurem Tun zu hören.
Noch eine Bitte: Könntest du mir nicht ein wenig Material für eine Soldatenweihnachtsfeier besorgen. Sieh bitte einmal zu.
Für heute recht frohen Gruß
Jochen