Kaplan Stiesch an Ludwig Kreuser, 13. November 1941
Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1
13. November 41
Lieber Herr Ludwig Kreuser!
Sie haben lange nichts mehr von mir gehört aber in meinen Gedanken habe ich Sie da draussen in all den unsagbar schweren Stunden begleitet. Zunächst Ihnen noch mein herzliches Beileid zum Heimgang Huberts. Ich hoffe, dasz Sie in unserm Glauben an das ewige Leben den einzig gültigen Trost finden. Hoffentlich werden unter all Ihren Brüdern nicht noch mehr Opfer gefordert. Ich musz immer Ihren Vater bewundern, dasz er all diese Sorgen zu tragen vermag.
Letzten Sonntag war ich mit Josef zusammen in der Jugendpredigt in Mechtern, und da erzählte er, dasz Sie geschrieben hätten und sehr viel auszustehen haben. Auch mein Vetter vor Leningrad klagt sehr über die Läuseplage zB. Aber ich freute mich dasz endlich wenigstens Nachricht von Ihnen da war, und nahm mir gleich vor, Ihnen einen Grusz zuzusenden.
Abends war Josef bei uns und wir hörten gemeinsam am Radio von Beethoven das Klavierkonzert Nr 4 in G dur und die Leonoren Ouvertüre Nr. 3. Was wird das später eine Freude sein, wenn wir wieder gemeinsam und ohne den ständigen Druck der Sorgen solchen Werken lauschen dürfen.
Josef – das brauchen Sie ihm aber nicht zu schreiben – tut alles was er kann, um durch sein Beten und Opfern seinen Brüdern nahe zu sein. Sehr oft ist er in der Frühmesse, oft genug als einziger der Jungmänner der den Sieg über die Bequemlichkeit des längeren Schlafes davongetragen hat.
Sonst geht hier alles so weit ganz gut. Allmählich wachse ich immer mit den Jungmännern zusammen, das gegenseitige Verstehen wird immer inniger, so hoffe ich jedenfalls.
Auch die Meszdiener machen mir viel Freude. Im Hochsommer war ich mit ihnen im Königsforst. Da konnten sie so recht von Herzen schreien und rennen und sich austoben. Natürlich wurde Krieg gespielt wie das bei solch einer Schar von Jungen immer sein wird.
Der Tag gefiel ihnen so gut, dasz später kleine Gruppen wieder loszogen um auf den nun bekannten Wegen den Königsforst zu durchstreifen. In den Ferien war ich in Paderborn und freute mich des alten Katholischen und gesunden Geistes, der eine solche Stadt beseelt. Und nachher in Menden in Westfalen. Als ich wiederkam hatte Köln grade die schweren Zerstörungen erlitten durch die britischen Flieger. Es gab kaum ein Viertel in der Stadt, so nicht auch mächtige Zerstörungen waren. Das Bild der Stadt ist heute noch nicht ganz wiederhergestellt. Gleich am Bahnhof sieht man die zerstörte Maria Himmelfahrt Kirche und das Priesterseminar.
Dann haben wir in Bickendorf einen tüchtigen Angriff erlebt, wo über 20 schwere Sprengbomben abgeworfen wurden. Man hörte sie immer pfeifen und dann kam die nächste. Gott sei Dank ist fast nichts passiert. Jedenfalls ist keiner verwundet worden oder ums Leben gekommen. Nur das Haus an der Ziegelei wurde an einer Ecke mitgenommen. Man staunt nur, dasz so etwas auch noch so glimpflich ablaufen konnte.
Nun wünsche ich Ihnen alles Gute! Und hoffe, dasz wir uns bald gesund in friedlicheren Zeiten wiedersehen können
Ihr