Hans Kreuser an Kaplan Stiesch, 25. November 1941
Afrika, 18.11.
Sehr geehrter Herr Kaplan!
Aus der Einsamkeit und Öde der Lybien-Wüste sende ich Ihnen herzliche Grüße.
Leider muß ich Ihnen heute mitteilen, dass ich bereits seit 3 Wochen an Ruhr danieder liege. Wenn man nun keine Besserung erfährt, kommt man unwillkürlich ans Denken. Aber trotzdem lasse ich den Mut nicht sinken. Es wär bestimmt ein Fehltritt. 15 Pfund habe ich dabei schon eingebüßt, was nach meiner Gesundung wieder schwer erkämpft werden muß. Aber es wird schon wieder werden.
Was das Musikleben anbetrifft, so kann ich wohl mit größtem Bedauern sagen, dass ich jetzt fast 3 Jahre schon davon abgeschnitten bin, außer den wenigen Urlaubstagen, die ich ja zur Hauptsache, so möchte ich sagen, an der Dreikönigen-Orgel verbrachte. Es ist für mich ein schweres Opfer auf all’ diese schönen Konzerte zu verzichten. Hätte ich wenigstens ein Radio an Hand, wär mir schon viel geholfen. Musik bildet! Ich muß unbedingt hinzufügen, die klassische. – In dem Fall Bruckner geht es mir ebenfalls so wie Ihnen. Er ist mir ebenfalls noch etwas fremd, etwas ungewohnt. Aber ich glaube mit der Zeit wird man sich doch an seine Art gewöhnen und evtl. doch einen Stil herausfinden, der z.B. bei J. S. Bach immer sehr leicht zu erkennen ist.
Ich hoffe, dass der Tommi bis heute nicht mehr in Köln gewesen ist. Ich weiß was es heißt: Fliegeralarm! Habe es genug in Wahn mitgemacht. Hoffen wir, dass wir im nächsten Jahr um diese Zeit für immer unsere Nachtruhe haben.
Den Film: „Ich klage an“! müsste ich vorher einmal gesehen haben, um mir ein rechtes Bild davon machen zu können. – Nun möchte ich mich zum Schluß noch bedanken für Ihren w. Brief vom 18.10. und Sie bitten, meiner beim hl. Opfer besonders Sonntags zu gedenken. Nochmals herzl. Grüße
Ihr Hans Kreuser